Seitdem der jetzige Ministerpräsident Dr. Švehla das
Wort von der "Gleichheit der Staatsbürger" neuerlich
betont hat und diese Tatsache auch durch den Eintritt deutscher
Minister in die Regierung symbolisch verkörpert werden sollte,
vergeht kein Tag, an welchem nicht deutsche Staatsangestellte
und Bedienstete durch vorzeitige Pensionierung oder Entlassung
diese eigenartige Gleichheit an ihrem eigenen Leibe zu spüren
bekommen.
So wurden als Weihnachtsgeschenk 1926 gleich 10 Bedienstete der
Karlsbader Bahnhöfe vorzeitig pensioniert und 4 Wochen später
ereilte das gleiche traurige Los weitere 35 Arbeiter und Angestellte,
des Stations- und Bahnerhaltungsdienstes. Ohne Rücksicht
auf die grausige Winterkälte und die furchtbare Arbeitslosigkeit,
die infolge der Industriekrise im Karlsbader Kreise ständig
im Wachsen begriffen ist, aber auch ohne jede Rücksicht auf
die Familienverhältnisse wurden diese Ärmsten der Armen
auf das Pflaster geworfen. Jeder Eingeweihte weiß, daß
der Dienstvorstand es in der Hand hat, auch im Falle von Entlassungen
furchtbares Elend zu mildern. Aber es muß geradezu aufreizen,
zusehen zu müssen wie Dienstvorstände, die noch bis
zum Umsturze Mitglieder deutscher Ingenieurvereine gewesen sind
(selbstverständlich handelt es sich hier um Juden), heute
als èechische Chauvinisten in geradezu brutaler Art und
Weise gegen deutsche Stations-, Magazins- und Streckenarbeiter
vorgehen und teilweise Unkenntnis der Dienstsprache zum Anlasse
ihres Hinauswurfes nehmen. Es ist erwiesen, daß diese teilweise
Unkenntnis der Dienstsprache durchaus nicht dem Betriebe gefährlich
werden kann, ja wir haben es wiederholt erleben müssen daß
èechische Angestellte und Bedienstete wegen Unkenntnis
der deutschen Sprache im deutschen Sprachgebiete die Schuld an
Eisenbahnunglücksfällen trugen. Auch im alten Österreich
gab es unzählige èechische Eisenbahner im deutschen
Sprachgebiete, die während ihrer ganzen Dienstzeit die deutsche
Dienstsprache nur mangelhaft erlernten und trotzdem auf ihren
Posten belassen wurden. Es ist bezeichnend für die Verhältnisse,
daß trotz èechisch - deutscher Regierungsmehrheit
trotz des so oft betonten Friedenwillens und Locarnogeistes, trotz
Ausserkrafttretens des berüchtigten Abbaugesetzes die Entlassung
deutscher Eisenbahnangestellter, Bediensteter und Arbeiter großzügig
fortgesetzt wird mit dem leicht erkennbaren Ziele, diese restlos
aus dem Eisenbahnbetriebe auszumerzen.
Die Unterzeichneten stellen daher an den Herrn Minister die Frage:
ob er bereit ist, auch innerhalb seines Ressorts diese laut und
feierlich verkündete Gleichberechtigung der Staatsbürger
in die Tat umsetzen zu lassen und die in den letzten Monaten durchgeführten
Zwangspensionierungen und Entlassungen rückgängig zu
machen?
Prag am 26. Jänner 1927.
Über die Ortsmanen verfügt das Gesetz Gesetz - Sammlung
No. 266 vom 14. April 1920.
§ 1 dieses Gesetzes ordnet an, daß der Minister des
Innern für jede Stadt, jede Gemeinde und Kolonie, (Lager,
Heide) eine amtliche Benennung festsetze. Vor dieser Festsetzung
aber hat der Minister des Innern im Sinne § 2 des Gesetzes
die "in der Èsl. Republik für die Festsetzung
der amtlichen Ortsnamen eingesetzte permanente Kommission"
anzuhören um dort das öffentliche Interesse zu wahren.
§ 4 des Gesetzes ordnet ferner an, daß die durch den
Minister des Innern festgesetzte Benennung durch jedes Gericht,
durch jedes staatliche und sonstige öffentliche Amt, Organ
Institut Unternehmung, sowie durch jeden, der mit diesem in Fühlung
tritt angewendet werden muß. § 6 des Gesetzes ermächtigt
den Minister des Innern zur Überprüfung der bisherigen
amtlichen Ortsnamen.
§ 22 des Gesetzes ordnet schließlich an, daß
der Sprachengebrauch bezüglich der Ortsnamen mittels Verordnung
geregelt werden muß. Das Gesetz besagt zwar nicht, welche
Richtlinien bei dieser Regelung maßgebend zu sein haben,
zweifellos steht es aber fest, daß die Bestimmungen des
Verfassungsgesetzes Slg. 122, vom 29. Feber 1920, über den
Gebrauch der Minderheitssprachen auch auf diesem Gebiete angewendet
werden müssen, indem Verfügungen eines Verfassungsgesetzes
nur durch neue Verfassungsgesetze modifiziert werden können
(Alinea 2 des Artikels 1 des Verfassungsgesetzes Slg. 121 vom
29. Feber 1920 bezüglich des Inkrafttretens der Verfassungsurkunde
der Èechoslovakischen Republik), das in Rede stehende Gesetz
aber kein solches Verfassungsgesetz ist, es daher die Regierung
auch nicht ermächtigen konnte die verfassungsgesetzlich gesicherten
Rechte der Minderheitssprachen zu umgehen.
Die Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Ortsbenennungen
Zahl 324 vom 25. August 1921 hat die im Verfassungsgesetz gesicherten
Rechte der Minderheitssprache im Prinzip hochgehalten.
Artikel 1 der Verordnung ordnet zwar an daß für jede
Stadt, Gemeinde und Kolonie (Lager, Heide) als amtlicher Name
jener Name festzusetzen ist, den die èechische bezw. die
slovakische Sprache herausgebildet hat, aber schon Artikel 2 ordnet
an, daß der Minister des Innern für jede Stadt, Gemeinde
und Kolonie (Lager, Heide), wo laut der letzten Volkszählung
zwar keine èechisch- oder slovakischnationalen, doch 20%
der gleichen Staatsbürger wohnen, ferner am Sitze solcher
Gerichte und Ämter, in deren Sprengel Gerichtsbezirke mit
einer auf Grund der letzten Volkszählung sich ergebenen 20%igen
nationalen Minderheit gehören, schließlich für
solche Ortschaften, für die èechische bezw. die slovakische
Sprache keine besondere Bezeichnung herausgebildet hat, als amtliche
Bezeichnung jenen Namen festsetzen kann, den die Sprache der betreffenden
nationalen Minderheit herausgebildet hat, wenn der Ursprung dieses
Namens geschichtlich nachweisbar ist und dagegen keine Gründe
aus verwaltungsrechtlichen oder sonstigen Rücksichten sprechen.
Als ein aus der Sprache der nationalen Minderheiten geschichtlich
entwickelter Originalname ist jener Name nicht zu bezeichnen,
der eine klare Umschreibung eines èechischen, bezw. slovakischen
Namens in die Rechtschrift oder Anhängsilbe der Sprache der
nationalen Minderheit darstellt, ferner künstliche Übersetzungen
und Neuformulierungen. Artikel 3 der Verordnung regelt schließlich
den Gebrauch der in mehreren Sprachen festgesetzten Ortbezeichnungen.
Bei der èechischen bezw. bei der slovakischen Amtierung
sind naturgemäß die èechischen bezw. die slowakischen
Ortsnamen anzuwenden. Wird aber in der Sprache einer nationalen
Minderheit oder auch in einer solchen amtiert ist die Ortsbezeichnung
in der betreffenden oder auch in dieser Sprache zu gebrauchen
- (Alinea 3 des zitierten Artikels).
Dies bezieht sich sowohl auf die mündliche, wie auf die schriftliche
Amtierung. Bei Mitteilungen an das Ausland ist die èechische
bezw. slovakische, in den fremden Sprachen die èechische
bezw. die slovakische Bezeichnung zu gebrauchen, sobald von einer
in der Èechoslovakischen Republik gelegenen Ortschaft die
Rede ist.
Erfolgt aber die Mitteilung in der Sprache einer nationalen Minderheit,
ist außer der èechischen bezw. slovakischen Benennung
des Ortes auch die Benennung in der Sprache der betreffenden nationalen
Minderheit zu gebrauchen, sofern eine solche im Sinne des Gesetzes
festgesetzt wurde. (Alinea 4 des zitierten Artikels.)
Die Verordnung ist also bemüht die verfassungsmäßig
zugesicherten Sprachenrechte der nationalen Minderheiten im Prinzipe
hochzuhalten. Die Geltendmachung derselben ist aber nach zwei
Richtungen hin an Bedingungen geknüpft. Es wurde nämlich
besagt daß jener Name als ein aus einer nationalen Minderheitssprache
geschichtlich herausgebildeter ursprünglicher Name nicht
betrachtet werden kann, der die Umschreibung eines èechischen
bezw. slovakischen Namens in die Rechtsschrift oder Anhängsilbe
einer nationalen Minderheitssprache darstellt, ferner die künstlichen
und Neuformulierungen. Die Verordnung fordert, daß der Ursprung
eines Namens in der Minderheitensprache geschichtlich nachweisbar
sei, d. h., daß dessen Herausbildung im Laufe der geschichtlichen
Entwicklung der betreffenden Minderheitensprache feststellbar
sei.
Obzwar es außer Zweifel steht, daß diese Bedingung
mit dem verfassungmässig zugesicherten Rechte der Minderheitensprachen
unvereinbar ist, - weil der Minister des Innern nicht zum Kritiker
am Wortschatz einer Minderheitensprache werden kann, - besitzt
diese Bedingung bei den zur Umbenennung gelangenden ungarischen
und deutschen Ortsnamen der Slovakei und Karpathorußlands
im Sinne der Verordnung keine praktische Bedeutung, weil die ungarischen
und deutschen Ortsnamen die ungarische bezw. die deutsche Sprache
im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung herausgebildet hat
deren Ursprung geschichtlich also nachweisbar ist.
Hier sei festgehalten daß die Verordnung auch jene Benennungen
nicht auszuschließen gedenkt die aus einem ursprünglichen
slovakischen Stamm in die Bezeichnung in einer Minderheitensprache
umgewandelt wurden wie auch die Verordnung beispielweise solche
Namen erwähnt. die sich aus einem slawischen Stamm zu deutschen
Benennungen entwickelt haben, wie Žlutice - Luditz, Jeseò
- Gassing, Lineè - Lintsch.
Die Verordnung besagt aber auch daß eine amtliche Benennung
in der Sprache der Minderheiten nur dann zuläßig ist
wenn dagegen keine Bedenken aus verwaltungsrechtlichen oder sonstigen
wichtigen Gründen sprechen. Es ist also offenkundig, daß
die Regierung mit dieser Verfügung dem Minister des Innern
Gelegenheit bieten wollte die Minderheitensprachen, wenn schon
nicht in allen Fällen. so doch "gelegentlich" zu
umgehen. Eine derartige Umgehung verletzt jedoch die im Verfassungsgesetz
Slg. 122 vom 29. Feber 1920 zugesicherten Rechte der Minderheitssprachen,
weshalb die besagte Verfügung (im Sinne § 55 der Verfassungsurkunde)
als gegen das Gesetz verstoßend, unwirksam ist Nachdem das
Recht des Minderheiten - Sprachen - Gebrauches den absoluten Sprachengebrauch
beinhaltet ist auch die Ortsbezeichnung in der betreffenden Minderheitensprache
zulässig.
§ 6 des Gesetzes über die Ortsnamen ermächtigt
den Minister des Innern zur Überprüfung der bisherigen
Ortsnamen. Diese Überprüfung und neuerliche Festsetzung
wird in der Slovakei demnächst vor sich gehen. weil die Fachkommission
- laut amtlicher Meldung - die Sammlung des Ortsnamenmateriales
der Slovakei bereits beendigt hat.
Unter den Ortsnamen der Slovakei wurde bisher bloß einer
Preßburgs amtlich festgesetzt und zwar mit der Bezeichnung
"Bratislava" durch Lorenz Šrobár im Oktober
1919 also noch vor Erbringung des den Gebrauch der Minderheitssprachen
regelnden Verfassungsgesetzes und des Gesetzes über die Ortsnamen.
Die Gesetzesachtung der Regierung beleuchtet aber am besten der
Umstand, daß man es selbst nach dem Infkraftteten der erwähnten
Gesetze nicht für notwendig hielt, die Verordnung Lorenz
Šrobárs außer Kraft zu setzen. Laut dem amtlichen
Standpunkte gilt "Bratislava" auch heute noch als "unübersetzbar",
obzwar die Volkszählung vom Jahre 1921, bei der man sich
zum Schaden der Ungarn im Durchschnitt um beiläufig 16 -
17% gegenüber dem tatsächlichen Stand der Ungarn "geirrt"
hat, ergab, daß von den 93.189 Einwohnern Preßburgs
22.24%, das sind 20.731, Ungarn, 27.72%, das sind 25.837 Deutsche
sind, wodurch sowohl die ungarische, als auch die deutsche Minderheit
das erforderliche 20%ige Zahlenverhältnis aufgewiesen hat.
Außerdem gibt es in Preßburg zahlreiche Behörden,
in deren Sprengel auch solche Gerichtsbezirke gehören, in
denen sogar laut besser gesagt trotz der letzten Volkszählung
die Ungarn das 20%ige Zahlenverhältnis erlangten.
Vor allem ist aber der Ursprung der Namen "Pozsony"
und "Preßburg" geschichtlich nachweisbar, weil
diese von der ungarischen bezw. deutschen Sprache hervorgegangen
sind. So erscheint gerade der Name "Bratislava" als
künstliche Neukonstruktion, die durch die Durchführungsverordnung
zum Gesetz über die Ortsnamen ausgeschlossen ist weil es
sich in diesem Falle um eine Bezeichnung in einer Minderheitensprache
handelt.
Der Name "Pozsony" erscheint als "Poson" zum
erstenmale im Jahre 1002, der Name "Preßburg"
als "Preslawaspurch" im Jahre 907, während "Bratislava"
eine Schöpfung der anfänglichen Sprachenforschung des
XIX. Jahrhunderts ist wie dies der Budapester Universitätsprofessor
Johann Melich im Band 3 der "Zeitschrift für slawische
Philologie" vom Jahre 1924 nachgewiesen hat. Die Qualitäten
Melich's sind auch in dieser Republik anerkannt, weil er vor einigen
Jahren eine Berufung an die philosophische Fakultät der Brünner
èechischen Universität erhalten hat, die er jedoch
nicht angenommen hat.
Was die übrigen Ortsnamen der Slovakei und Karpathorußlands
betrifft, ist es unmöglich, an dieser Stelle alles aufzuzählen,
was sich in diesem Belange unterstellte Behörden behördliche
Organe, staatliche Institute und Unternehmungen leisten, die das
Ministerium des Innern vor fertige Tatsachen zu stellen sich unterfangen
indem sie schon im vorhinein für "unübersetzbare"
Ortbenennungen in der Staatssprache sorgen. Und wenn dies nicht
anders geht so versuchen sie es mit der Umschreibung in die Rechtschrift
wobei sich oft die komischesten Wortbildungen ergeben, besonders
wenn solche Laute aus der ursprünglichen ungarischen Sprache
umschrieben werden die in der slovakischen Sprache fehlen Noch
komischer wirkt es aber, wenn, - was schon oft vorgekommen ist,
- der Gemeindenotar, der Finanzer und de Eisenbahn je einen anderen
Namen schaffen Es kommt sogar auch das vor daß die Minderhieten
daran behindert werden gegen ein solches Vorgehen zu den vorgesetzten
Behörden den Rechtsweg einzuschlagen, indem eine solche Angelegenheit
als "Politikum" bezeichnet wurde, die angeblich nicht
in den Wirkungskreis der Gemeinden fällt.
Zwecks Beseitigung dieser gesetzwidrigen Lage und mit Rücksicht
auf die bevorstehende neuerliche Festsetzung der Ortsnamen der
Slovakei und Karpathorußlands fragen wir den Herrn Minister
des Innern, sowie die mit der Liquidierung des Ministeriums für
die Slovakei betrauten Herren Minister:
1. Sind Sie geneigt dafür zu sorgen, daß bei Abänderung
der Ortsnamen der Slovakei und Karpathorußlands jene Rechte
der ungarischen und deutschen Ortsnamen, die das Gesetz Slg. Nr.
122 vom 29. Feber 1920, sowie § 22 des in diesem Geiste erbrachten
Gesetzes Slg. Nr. 266 vom 14. April 1920, ferner die Bestimungen
des Artikels 2 der Regierungsverordnung zu diesem Gesetze, Slg.
Nr. 324 vom 25. August 1924 vorsieht, hochgehalten werden?
Bei diesem Punkt muß festgehalten werden, daß jener
Vorbehalt der letzten Verfügung wonach in der Sprache der
Minderheiten nur dann eine amtliche Benennung festzusetzen ist
"wenn dagegen keine verwaltungsrechtlichen oder sonstigen
wichtigen Gründe" sprechen, - dem Verfassungsgesetz
Slg. Nr. 122 vom 29. Feber 1920 widerspricht und so im Sinne §
55 der Verfassungsurkunde wirkungslos ist weil im Sinne der Verfassungsurkunde
das Recht des Minderheiten - Sprachengebrauches den vollkommenen
Sprachengebrauch beinhaltet. was in diesem Falle die Bezeichnung
eines Ortsnamens in der betreffenden Sprache bedeutet.
2. Sind Sie geneigt die Verwaltungsbehörden der Slovakei
und Karpathorußlands dahingehend zu instruieren, daß
die Frage der Ortsbenennung kein dem Wirkungskreis der Gemeinden
entzogenes "Politikum" ist und
3. Sind Sie demgemäß geneigt die betreffenden Behörden
anzuweisen, daß sie die diesbezügliche Stellungnahme
der Gemeinden deren diesbezügliche Schritte zu den höheren
Behörden und die Betretung des Beschwerdeweges zum Obersten
Verwaltungsgerichtshofe gegen eine eventuelle Entscheidung des
Ministeriums des Innern nicht behindern, weil dadurch die strafbare
Handlung des Mißbrauches der Amtsgewalt begangen wird?
Sodann fragen wir die Gesammtmitglieder der Regierung:
4. Sind Sie geneigt die ihnen unterstellten Behörden, Amtsorgane
Institute und Unternehmungen anzuweisen sich von der willkürlichen
Abänderung von Ortsnamen der Slovakei und Karpathorußlands
zu enthalten, weil dies eine gegen das Gesetz verstossende strafbare
Handlung darstellt?
Wir wollen noch bemerken daß jenseits der March, in den
sogenannten historischen Ländern von vereinzelten Fällen
abgesehen, die deutschen Ortsbenennungen von allen Behörden
hochgehalten werden. Es ist also für die Regierung bezeichnend,
daß auf einem solchen Rechtsgebiet, das bereits "unifiziert"
wurde, bei Durchführung einer Regierungsverfügung in
den historischen Ländern mit einem anderen Maß gemessen
wird, als in der Slovakei und in Karpathorußland wenn es
sich um eine Sache handelt, die den hiesigen Minderheiten einige
Rechte zubilligt.
Zum Schluß verweisen wir noch darauf, daß die Minister
im Sinne der Hausordnung des Parlamentes verpflichtet sind, jede
Interpellation innerhalb von zwei Monaten zu beantworten, sonst
würde das Interpellationsrecht illusorisch weshalb wir ersuchen
die Antwort auf diese unserer Auffassung nach hochwichtige Interpellation
in der vorgeschriebenen Frist erteilen zu wollen.
Prag, am 15 Feber 1927.
Das Zuckerkartell hat den Preis von 100 kg Raffinade für
die Monate Jänner und Februar 1927 mit 516 Kè festgesetzt.
Das bedeutet einen groben Bruch der Vereinbarungen welche die
Zuckerindustriellen mit der Regierung getroffen haben und als
deren Ergebnis der Herr Finanzminister am 26, Mai 1926 im Budgetausschuß
bindend erklärt hat, daß die Erhöhung der Zuckersteuer
eine Preissteigerung von nicht mehr als 20 Kè pro 100 kg
nach sich ziehen werde. Die anläßlich der Zuckerliberierung
für Jänner und Februar erfolgte Preisfestsetzung bedeutet
aber eine Preissteigerung von 76 Kè, sodaß also nicht
nur eine vollständige Überwälzung der neuen Steuer,
sondern noch darüber hinaus eine Verteuerung um 16 Kè
stattgefunden hat Die Entschuldigung der Regierung daß inzwischen
die Aufhebung der gebundenen Wirtschaft erfolgt ist, sodaß
die früheren Vereinbarungen hinfällig wurden und der
Regierung en Einfluß auf die Regelung des Zuckerpreises
nicht mehr zusteht ist ganz haltlos. Denn es wäre Pflicht
der Regierung gewesen sich vor der Aufhebung der gebundenen Wirtschaft
dessen zu vergewissern daß eine Preiserhöhung nicht
ein tritt und die Regierung ihr bindendes dem Parlamente und den
Konsumenten gegebenes Versprechen einlösen kann. Die Resolution
des Abgeordnetenhauses, in deren Entsprechung die Regierung die
Aufhebung der gebundenen Zuckerwirtschaft verfügte hatte
übrigens das Sinken der Weltmarktprese zur Voraussetzung
und da das Gegenteil der Voraussetzung eintrat. wäre es Aufgabe
der Regierung gewesen die Volksvertretung rechtzeitig zu informieren
und ihr zu neuerlicher Stellungnahme Gelegenheit zu geben.
Die Regierung beeilt sich sonst keineswegs, Entschliessungen der
parlamentarischen Körperschaften durchzuführen. Es mutet
daher sonderbar an, daß sie gerade die Resolution wegen
Freigabe der Zuckerwirtschaft in Vollzug setzte, obwohl ihr zu
Beginn der Kampagne 1926/1927 schon bekannt sein mußte,
daß die Preisentwicklung auf dem Weltmarkte in entgegengesetzer
Richtung ging, als das Abgeordnetenhaus bei Beschliessung der
Resolution im Juni angenommen hatte. Die Aufhebung der gebundenen
Wirtschaft gerade in dieser Situation stellte sich somit als ausgesprochener
Liebesdienst gegenüber dem Zuckerkartell dar, der ihm einen
in die Millionen gehenden Extraprofit zuschanzte.
Daß es sich so verhält und daß die wiederholten
Behauptungen der Zuckerindustriellen, wonach sie selbst bei den
jetzigen hohen Preisen kaum einen Gewinn erzielen, vollständig
unzutreffend sind, beweist die Tatsache, daß die Aussiger
Zuckerfabrik das Geschäftsjahr 1925/26 mit einem Reingewinn
von zwei Millionen abschloß, während Nestomitz und
Schönpriesen für das Jahr 1926 unverkürzte Dividenden
- die 1925 bekanntlich sehr hoch waren - ankündigen. Was
übrigens von den Kalkulationsmethoden der Zuckerindustriellen
zu halten ist haben die "Lidové Noviny", also
ein bürgerliches Blatt, das den Kreisen der Industrie sehr
nahe steht, in einem Artikel vom 28. Dezember deutlich ausgesprochen:
"Die Zuckerfabrikanten begründeten die neurliche Verteuerung
des Zuckers mir der Preiskalkulation und den höherem Preisen
auf dem Weltmarkte, Beide Begründungen sind falsch. Es ist
zwar richtig, daß die Zuckerpreise in der letzten Zeit auf
dem Weltmarkt stärker gestiegen sind, sie sind aber immer
noch niedriger als unsere heimischen Preise, Wenn heute auf dem
Zuckermarkt Kristallzucker für Jänner - März um
285 Kè franko Lundenburg verkauft wurde, so bedeutet das,
daß die Zuckerfabriken Kristallzucker für die Ausfuhr
um 272 Kè verkaufen, denn vom Preise franko Lundenburg
ist die Fracht ab mittelmährischer Raffinerie abzuziehen,
welche 13 Kè beträgt. Für den heimischen Bedarf
lieferten die Zuckerfabriken Kristallzucker bisher um 488 Kè.
Wird davon die Steuer per 209 Kè abgezogen, so verkaufen
die Zuckerfabriken Kristallzucker für den heimischen Bedarf
um 279 Kè, das ist um 7 Kè teuerer, als für
die Ausfuhr. Wenn sie nun den Preis des Kristallzuckers um 28
Kè auf 516 Kè erhöhen so bedeutet das nichts
anderes, als daß Kristallzucker bei uns zu Hause vom 1.
Jänner an um 35 Kè teuerer sein wird, als ihn die
Zuckerfabriken ins Ausland verkaufen. Noch ärger ist dieses
Verhältnis beim Würfelzucker. Auf dem heutigen Zuckermarkte
wurde Würfelzucker für Jänner zu 310 Kè
franko Lundenburg verkauft. Wird davon die Fracht bis Lundenhurg
mit 14 Kè abgezogen so verkaufen die Zuckerfabriken Würfelzucker
für den Export um 296 Kè franko mittelmährischer
Raffinerie, Für den inländischen Bedarf liefern die
Zuckerfabriken Würfelzucker nach Abrechnung von 209 Kè
Steuern 309 Kè, d. i. um 15 Kè teuerer, als sie
ihn ausführen.
Ebenso falsch und unwahrhaftig ist die Kalkulation des Zuckerpreises,
wie ihn die Zuckerfabrikanten aufgestellt haben. Nach der Revision
der Kalkulationen in den Zuckerfabriken wurde angeblich festgestellt,
daß der Erzeugungspreis in fünf Rohzuckerfabriken in
Böhmen und Mähren zwischen Kè 165.34 und Kè
204,98 schwankt. In einem gemischten Betrieb in Südostmähren
wurde angeblich der Erzeugungspreis des Zuckers mit Kè
202.97 festgestellt. In diesem Preis ist angeblich nirgends ein
Reingewinn enthalten. Wir glauben zwar nicht an diese Preise,
aber wir wollen uns einstweilen in die Kalkulation des Rohzuckerpreises
im einzelnen nicht einlassen, Aber jedem muß der große
Unterschied auffallen, der zwischen dem Erzeugungspreis des Rohzuckers
von Kè 165.34 in dem einen Betriebe und von Kè 204.98
in einem anderen Unternehmen besteht. Dieser Unterschied beträgt
Kè 39,64 oder fast 25 Prozent. Wenn dies wahr wäre,
so würde es nur beweisen, daß in unserer Zuckerindustrie
etwas Ungesundes ist, daß hier Betriebe bestehen, die nicht
lebensfähig sind. Dann wäre es Pflicht des Zuckerkartells
Zweck des Kartells ist doch nicht die Verteuerung der Waren, sondern
vor allem die Sorge für eine zweckmäßige und wirtschaftliche
Produktion, - sich um die Liquidierung dieser unmöglichen
Betriebe zu kümmern und nicht sie auf Kosten der Bevölkerung
durch unbegründete Verteuerung des Zuckers aufrechtzuerhalten."
Aus diesen Ausführungen eines den wirtschaftlichen Liberalismus
vertretenden Blattes geht deutlich hervor, daß das Zuckerkartell
seine wirtschaftliche Funktion nicht einmal im kapitalistischen
Sinne erfüllt und geradezu ein Hemmnis gesunder industrieller
Entwicklung ist.
Nach dem Staatsvoranschlage für das Jahr 1927 ist der Mehreingang,
der aus der Zuckersteuererhöhung von 60 h zu erwarten ist,
mit 200,000.000 präliminiert. Da aber die Preissteigerung
nicht 60 h sondern 76 h beträgt, muß die Mehrbelastung
des Konsums auf mindestens 250 Millionen Kronen geschätzt
werden. Das ist ganz unerträglich in einer Zeit der Not,
Teuerung und Arbeitslosigkeit, umso unerträglicher als gleichzeitig
über die Herabsetzung der Steuerlasten für die besitzenden
Klassen verhandelt wird.
Wir fragen daher die Regierung:
1. Welche Maßnahmen gedenkt die Regierung zu ergreifen,
um der maßlosen Verteuerung des Zuckers und den Machinationen
des Zuckerkartells wirksam entgegenzutreten?
2. Ist sie insbesondere bereit, die Aufhebung oder wenigstens
die Ermäßigung der Verbrauchssteuern und des Einfuhrzolles
auf Zucker durch Einbringung entsprechender Vorlagen in die Wege
zu leiten?
3. Ist sie weiters bereit, einen Gesetzentwurf über die öffentliche
Kontrolle der Kartellwirtschaft unter maßgebender Mitwirkung
der genossenschaftlichen und gewerkschaftlichen Organisationen
zu unterbreiten?
Prag am 15. Feber 1927.