Ètvrtek 12. bøezna 1925

Pøíloha k tìsnopisecké zprávì

o 328. schùzi poslanecké snìmovny Národního shromáždìní republiky Èeskoslovenské v Praze ve ètvrtek dne 12. bøezna 1925.

Øeè posl. dr. Haase (viz str. 1304 tìsnopisecké zprávy):

Hohes Haus! In den letzten Monaten wurden die Immunitätsangelegenheiten dazu mißbraucht, um der Öffentlichkeit eine Tätigkeit des Parlamentes vorzutäuschen. Wenn die Koalition mit ihrem Latein zu Ende war, wenn die parlamentarische Tätigkeit ins Stocken geriet oder besser gesagt, am Krepieren war, dann hat man einige Immunitätsangelegenheiten, die man so schön "imunitky" nennt, ausgekramt und auf die Tagesordnung gesetzt, um das Parlament überhaupt einberufen zu können. Diese Praxis mußte mit einer gewissen Naturnotwendigkeit einen geradezu sträflichen Unernst in der Beurteilung der Immunitätsfälle hervorrufen. Während in den Parlamenten aller übrigen Staaten die Immunität der gewählten Volksvertreter als eine unantastbare Errungenschaft, hervorgegangen aus dem Kampfe zwischen der Demokratie und der autokratischen Bürokratie, von allen Parteien gewahrt wird, hat in der Èechoslovakischen Republik das allgemeine Schwinden des Sinnes für Demokratie auch das Interesse für die Wahrung der Immunität der gewählten Volksvertreter bei den Angehörigen der Koalitionsparteien vollständig vernichtet. Ich will gleich feststellen, daß wir unter Wahrung der Immunität keineswegs verstehen, daß jede Handlung eines Abgeordneten als durch die Immunität gedeckt behandelt werden soll. Es muß vielmehr immer und überall davon ausgegangen werden, daß wir an dem Begriffe der Immunität, wie er dem Geiste der demokratischen Verfassungen entspricht, festhalten müssen, wenn wir die einzelnen Fälle beurteilen; eine Auslegung der Immunität in dem Sinne, daß jede Handlung, jede Äußerung eines Abgeordneten durch die Immunität gedeckt sein soll, wäre undemokratisch; denn sie würde bedeuten, daß der Abgeordnete als Person, nicht als Repräsentant einer bestimmten Funktion aus der ganzen Masse der übrigen Staatsbürger herausgehoben wird. Das wäre eine undemokratische Verkehrung des Begriffes der Immunität. Bei Beurteilung jedes einzelnen Immunitätsfalles muß vielmehr immer von dem Zweckgedanken ausgegangen werden, aus welchem die Einrichtung der Immunität der Volksvertreter entstanden ist, ausschließlich maßgebend muß der Zweckgedanke sein, der in allen konstitutionellen und republikanischen Verfassungen gilt. Alle diese Verfassungen haben es absichtlich vermieden, taxativ jene Fälle aufzuzählen, welche durch die Immunität gedeckt, beziehungsweise durch sie nicht geschützt sein sollen. Durch diese absichtliche scheinbare Unbestimmtheit wollte die Verfassung das Abgeordnetenhaus und den Senat für die Interpretation auf den Zweckgedanken, auf die Absicht verweisen, welche allen Verfassungen bei der Schaffung dieses Institutes der Immunität vorgeschwebt hat; und dieser Zweck besteht darin, die Abgeordneten als die Repräsentanten der Demokratie, der demokratisch organisierten Legislative gegen die Macht der autokratischen Bürokratie als Repräsentanten der autokratischorganisierten Gerichtsbarkeit und Administrative zu schützen. Auf diese Weise soll in jedem konstitutionellen oder republikanischen Staatswesen das Übergewicht des demokratischen Elementes über das autokratische Element in Erscheinung treten.

Die Verfassung der Èechoslovakischen Republik hat die Immunität-Einrichtung der hier von mir geschilderten Art aufgenommen. Aber wie in so vielen anderen Fällen wurde auch in diesem Falle die von der Verfassung gegebene Form durch die Koalitionspraxis mit einem Inhalt erfüllt, welcher aus der Form eine bloße Formalität macht. Wir haben noch immer die Formalität der Verhandlung im Ausschuß und im Plenum; aber die Art, wie diese Praxis sich auslebt, ist ein manifester, eklatanter Widerspruch gegen den Geist, den Zweck, den Sinn der Immunität.

Auf der heutigen Tagesordnung haben wir zwei Fälle, welche diese, ich gestehe, etwas rabiate Beschuldigung beweisen. Es ist das der Fall, der eben vom Herrn Vorsitzenden des Immunitätsausschusses herunterreferiert wurde, mit einer Geschwindigkeit, die geradezu frappierend ist. (Posl. Beutel: Wo niemand etwas hört!) Es war auch gar nichts zum Hören. Es ist der Fall Druck Nr. 4708 des Abgeordneten Tománek und der Fall des Abgeordneten Dr. Josef Kaminský Druck Nr. 4956. Der eine ist ein Angehöriger der Opposition, der zweite ein Angehöriger, und zwar besonders getreuer Angehöriger der Koalition. Bei dem einen heißt es: "Da Herr Dr. Kubiš als Referent die Akten trotz Aufforderung nicht abgegeben hat, wird Herr Tománek ausgeliefert." Warum, wissen wir nicht. Es wird nur gesagt, daß es sich um eine Beleidigung, begangen durch die Presse, handelt. Gleichzeitig liegt nun eine Beleidigung, begangen durch die Presse, bei dem Immunitätsfall des Herrn Abgeordneten Dr. Kaminský (Druck Nr. 4956), vor. Hier heißt es nun: "Der Immunitätsausschuß beantragt die Nichtauslieferung, weil der Immunitätsausschuß in dem angeführten Teile des Zeitungsartikels nur eine politische Kritik erblickt, welche mit der Ausübung des Mandates in Verbindung steht." Vier Zeilen! Kein Wort darüber, was gesagt, was gedruckt wurde! Der Mann ist eben ein strammer Angehöriger der Koalition, welcher alle anderen Parteien, die der Koalition nicht angehören, zur Auflösung bringen will; deshalb braucht das Abgeordnetenhaus nicht zu wissen, wie die Ehrenbeleidigung begangen wurde, der knappe Bericht genügt der Koalition zur Nichtauslieferung. Der andere Mann, der Abg. Tománek, gehört der Koalition nicht an; auch hat man am Tage, als der Ausschußbericht gedruckt wurde, am 13. Juni 1924, ihn noch nicht besonders gebraucht - darauf komme ich übrigens noch zurück - heute ist die Situation eine andere; infolgendessen hat man damals den Abgeordnete Tománek zur Auslieferung empfohlen, ohne dem Abgeordnetenhaus zu sagen warum, ohne ein einziges Wort darüber zu erwähnen, was er denn eigentlich begangen hat, sondern einzig und allein mit der Begründung, Herr Abgeordneter Dr. Kubiš habe die Akten nicht rechtzeitig abgeliefert. Nicht der Abgeordnete Dr. Kubiš wird als Missetäter bestraft, obwohl er der Missetäter war, wenn man da überhaupt von einem Missetäter sprechen kann, sondern bestraft wird sein Klubkollege. Das ist wenigstens eine Erziehung zur Solidarität in den Klubs, man bestraft den einen für den anderen. (Výkøiky na levici.) Ich habe mich zu den beiden Fällen deshalb zum Worte gemeldet, weil es so eklatant ist, was hier getrieben wird: in beiden Fällen wird nicht erwähnt, was die Herren begangen haben, nicht mit einem Wort. Aber der "¼uïák" wird ausgeliefert, der Koalitionsgenosse nicht. Das ist natürlich nicht einmal eine Parodie, sondern eine Farce, das ist eine Verunglimpfung des Gedankens der Immunität. (Výkøiky na levici.) Seinerzeit haben wir uns bereits mit dieser Erscheinung beschäftigt, die sich heute in dem Falle des Abgeordneten Tománek wieder zeigt, und gesagt: Es ist unmöglich, daß man einen Abgeordneten ausliefert, ohne dem Abgeordnetenhaus überhaupt die Möglichkeit zu geben, zu beurteilen, ob hier ein Fall vorliegt, der nach dem ganzen Zwecke des Immunitätsprinzipes durch die Immunität gedeckt ist. Gerade unsere Partei ist wohl in der Beurteilung von Ehrenbeleidigungen, begangen durch Abgeordnete, sehr streng. Aber wir müssen doch wissen, ob es sich wirklich um einen Fall handelt, der nicht durch die Immunität gedeckt ist, der nicht mit der Ausübung des Mandates in engstem Zusammenhang steht. Damals erklärte man, insbesondere auf eine Kritik hin, die in der Wiener "Arbeiterzeitung", erschienen ist, man könne doch nicht die Ehrenbeleidigungen dadurch verjähren lassen, daß der eigene Klubkollege obstruiert, indem er die Akten nicht vorlegt. Ja, meine Damen und Herren, diese Ausrede fällt doch heute weg! Denn es ist ja das berühmte Gesetz über die Unterbrechung der Verjährung bereits seit Juni 1924 in Kraft und daher nicht zu befürchten, daß die Straftat verjährt, wenn die Auslieferung nicht rechtzeitig beschlossen wird. Es ist also dieser Einwand vollständig erledigt. Und ich erwähne hier, daß selbst Herr Abgeordneter Dyk, welcher mit besonderer Schärfe immer gegen die Abgeordneten der Opposition anreitet, in seinem Blatte geschrieben hat, daß die Praxis, die man hier einführt, wie er sich ausdrückt, "v dìjinách parlamentarismu je to ojedinìlý pøípad", ein vereinzelter Fall in der Geschischte des Parlamentarismus ist. Aber trotzdem es ein vereinzelter Fall ist, meint der Herr Abgeordnete Dyk, ist es bei der Art und Weise, wie sich die oppositionellen Abgeordneten gebärden, unbedingt notwendig, diesen in der ganzen Geschichte des Parlamentarismus vereinzelten Fall trotzdem im èechoslovakischen Parlamentarismus, der sich ohnehin schon genug ausgezeichnet hat, auch noch zur ständigen Praxis zu erheben. Nun habe ich, als ich mich zu Worte meldete, erfahren, daß der Abgeordnete Tománek heute ausnahmsweise nicht ausgeliefert werden, sondern die Angelegenheit an den Ausschuß zurückverwiesen werden soll. Man könnte also glauben, daß sich hier irgendeine Umkehr vorbereitet. Ich bin aber so skeptisch, dies zu bestreiten, ich glaube vielmehr, daß sich seit dem 13. Juni 1924 bis zum 12. März 1925 nur die Windrichtung einigermaßen geändert hat und daß man infolgedessen das, was man damals gegenüber der Partei des Herrn Abgeordneten Tománek mit Vehemenz verteidigt hat, heute gegenüber derselben Partei nicht mehr mit der gleichen Vehemenz verteidigen will. Man will nicht beschließen, ihn nicht auszuliefern, man will aber auch das Gegenteil nicht beschließen, weil man nicht weiß, ob man nicht vielleicht übermorgen diese Partei notwendig brauchen wird. Die Situation und damit auch die Windrichtung, die Liebe und der Haß, haben sich seit dem 13. Juni, an welchem Tage der Bericht gedruckt wurde, einigermaßen geändert. Es ist also diese Änderung, nämlich die Mitteilung, daß dem Antrag des Abgeordneten Dr. Kubiš auf Rückverweisung an den Ausschuß voraussichtlich Folge gegeben wird, nicht geeignet, unsere Kritik an der Praxis der Immunitätsfälle zu mildern, sondern im Gegenteil: sie ist geeignet, unsere Kritik nur zu verschärfen. Denn es handelt sich hier absolut nicht darum, umzukehren, zu sagen: "wir sind auf dem falschen Wege", sondern es handelt sich darum, ganz deutlich jedem sichtbar zum Ausdruck zu bringen, wozu die Immunitätspraxis mißbraucht wird, zu sagen: "Es gilt hier zweierlei Maß, eines gegen die unentwegten Oppositionellen und eines für die unentwegten Regierungsmenschen und für diejenigen, die eventuell auf dem Wege sind, aus der Opposition auszuscheiden, oder eine sogenannte wohlwollende Opposition zu betreiben".

Der Abgeordnete Dr. Kaminský soll nach dem Bericht des Immunitätsausschusses nicht ausgeliefert werden, weil das, was er gesagt hat - was, wissen wir nicht, das weiß das ganze Abgeordnetenhaus nicht und kann es nicht wissen - keine Ehrenbeleidigung beinhaltet, welche nicht mit der Politik zusammenhängt. Es hat mich interessiert, was Herr Abgeordneter Dr. Kaminský eigentlich gesagt hat, was so zahm wäre, daß man ihn nicht ausliefert. Ich wollte mich unterrichten, welche Ehrenbeleidigung mit dem politischen Leben im Zusammenhang steht, und kann Ihnen nun mitteilen, daß Herr Abgeordneter Dr. Kaminský in einem Blatte gegen Dr. Julius Brašèajko geschrieben hat, dr. Julius Brašèajko sei ein Mann, der ein Abenteurer ist, ein Betrüger an den Kriegsinvaliden, der auf Kosten der Kriegsinvaliden nach Prag reist, ohne etwas dafür zu leisten und das Geld, welches er durch die Kriegsinvaliden bekommt, dazu mißbraucht, in Prag gegen andere Parteien zu schüren. Nun meine Herren, jemandem zu sagen, daß er ein Abenteurer, ein Gauner, ein Betrüger ist, ob das zur politischen Betätigung gehört, und zwar zu einer politischen Betätigung, die so selbstverständlich ist, daß der Ausschuß nicht mit einem Wort darüber spricht, das überlasse ich Ihrer Beurteilung. Es zeigt das jedenfalls, was für eine Praxis man im Immunitätsausschuß ausübt; aus dem Falle Tománek, besonders aus seiner jetzigen Umkehrung, die mir mitgeteilt wurde, und von der Sie noch hören werden, kann man auf die Regel schließen, von welcher sich der Immunitätsausschuß leiten läßt: "Wer brav ist, nämlich vom Standpunkt der Koalition, oder von wem man weiß, daß er in kürzester Zeit brav werden wird, der wird nicht ausgeliefert. Wer nicht brav ist, oder, bei dem man nicht vermutet, daß man ihn durch ein politisches Geschäft brav machen kann, der wird ausgeliefert". Das sind also die Verhandlungen und vor allem die Beschlüsse über die Immunität; sie sind bei uns nicht wie in anderen Parlamenten der Welt Beschlüsse, welche dazu dienen, die Herrschaft der Demokratie über die Autokratie im Staate zu wahren, sondern dazu, der gerade herrschenden Partei die Möglichkeit zu bieten, den einzelnen Abgeordneten Wohlverhaltungszeugnisse auszustellen. Wenn also ein Abgeordneter nicht ausgeliefert wird, so hat er das Zeugnis bekommen, daß er brav ist, daß die Koalition mit ihm zufrieden ist. Meine Damen und Herren! Man mußte einmal zu dieser Praxis das Wort ergreifen, sie vor der Öffentlichkeit anprangern, um wenigstens durchzusetzen, daß diejenigen Abgeordneten, welche diese "imunitky" nur als Füllmaterial ansehen, endlich erwachen und sich sagen: "Mit der Immunität ist in diesem Staate wie in jedem anderen Staate ein großes Stück Demokratie verknüpft" und daß sie diese "imunitky" nicht nur als willkommenes Auskunftsmittel, um die parlamentarische Maschinerie ein bischen zu ölen, betrachten. (Potlesk na levici.)


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