Hohes Haus! In den Verhandlungen der Ausschüsse, durch welche
die Vorlage gegangen ist, hat die Sudetendeutsche Partei dieser
Vorlage die Berechtigung und Notwendigkeit zuerkannt. Sie hat
ihr nicht zuerkannt die Dringlichkeit, mit der die Sache hier
und in den Ausschüssen behandelt wurde, und hat verlangt,
daß eine Vorlage von dieser Bedeutung in entsprechender
Weise in den Ausschüssen durchberaten werden kann. Unsere
Bemühung, dies zu erreichen, war leider vergeblich, so daß
die Vorlage im großen Ganzen in der Form hier zur Annahme
vorgelegt wird, in welcher sie dem Hause zugekommen ist.
Ich möchte gleich vorwegnehmen die Stellungnahme der Sudetendeutschen
Partei zu der Vorlage und ihr Verhalten bei der Abstimmung. Wir
sind uns vollständig klar, daß es sich hier um eine
sehr ernste gesetzliche Maßnahme handelt, wir sind uns vollständig
klar auch darüber, daß die Annahme dieser Vorlage zu
einer ernsten Zeit stattfindet, wir sind aber entschlossen, gerade
bei einer so ernsten Gelegenheit hier eine ernste Kundgebung zu
machen, u. zw. in der Richtung, daß wir, trotzdem wir die
Berechtigung der Vorlage anerkennen, für sie nicht stimmen
können.
Und nun gestatten Sie mir, dies zu begründen. Die Vorlage
ist ernst, weil sie in weitestem Maße in die Erziehungsaufgaben
des Staates eingreift und eine psychologische Vorbereitung der
Bevölkerung durchführt, die wir an sich für notwendig
halten. Wir sehen auch ein, daß die Zeiten sehr ernst sind,
wir müssen aber gerade deshalb feststellen, daß wir
glauben, daß einerseits die politische Führung des
Staates, andererseits die Vorlage selbst diesen zwei Voraussetzungen
nicht Rechnung trägt. Meine sehr verehrten Herren! Im großen
und ganzen wird diese Vorlage den Behörden überantwortet.
Wir haben nie unterlassen, die Regierung darauf aufmerksam zu
machen, daß das Verhalten der Behörden - und leider
muß ich auch die Militärbehörden mit einbeziehen
- gegenüber dem völkischen Deutschtum ein derartiges
ist, daß wir der Anschauung sind, daß auch bei der
Durchführung dieses Gesetzes nicht jene Objektivität
und jenes Verständnis, vor allem für die nationalen
Belange der gesamten und besonders der deutschen Bevölkerung
aufgebracht wird; und daher würden wir mit der Zustimmung
zu diesem Gesetze eine Manifestation auch für die Verwaltung
zum Ausdruck bringen, einer Verwaltung, der wir absolutes Mißtrauen
entgegenbringen müssen. (Potlesk poslancù strany
sudetskonìmecké.)
Hiezu veranlaßt uns auch der Wortlaut des § 20. Wir
haben uns bemüht, beim § 20 dahin zu wirken, daß
die Regierung nicht das Recht bekommt, autoritär zu regieren.
Es schien uns in einem demokratischen Staat selbstverständlich,
daß die Regierung für alles verantwortet, was sie tut,
d. h. daß sie nicht nach § 20 das Recht bekommt, einen
Verein politisch zu disqualifizieren, ohne gleichzeitig genötigt
zu sein, dies bis ins Letzte zu begründen. Hier kommen wir
zu dem System, das heute maßgebend ist, nämlich zu
dem System immerhin einer Art Kabinettsjustiz. Wenn aber die Regierung
gerade in sehr heiklen und empfindlichen Fragen ein Diktat ausüben
kann, und wenn sie ohne Begründung einem Verein, der schon
die Berechtigung bekommen hat, die Berechtigung nehmen kann, so
sehen wir darin einen Widerspruch zu der Verfassung und zum ganzen
demokratischen Regime, das ja auf Verantwortung aufgebaut ist.
Wir können nicht zustimmen, daß die Regierung eine
solche Ermächtigung bekommt, die meines Erachtens politisch
von außerordentlich großer Wichtigkeit ist und, meine
Herren, nicht im Bereich der Parteipolitik, sondern der Staatspolitik
liegt. Wir stehen auf dem Standpunkt, auch im staatlichen Leben
gilt der Grundsatz: "Clara pacta, boni amici." Das heißt,
es geht nicht an, daß die Verwaltung einen Akt der Persekution
nach dem andern vornimmt, und die Regierung schließlich
nach § 20 ebenfalls eine Persekution ausspricht, u. zw. ohne
ihn zu begründen.
Auf der einen Seite wird somit der größte Einwand gegen
diese Vorlage von der nationalpolitischen Seite her von uns gemacht,
und zwar aus dem Grunde, weil hier neben den schon bestehenden
eine neue allgemeine Bürgerpflicht eingeführt wird und
keine Garantien dafür gegeben werden, daß diese allgemeine
Bürgerpflicht auch nach den Maßstäben der vollen
bürgerlichen Gleichheit durchgeführt wird. Die Herren
des Ausschusses werden mir bestätigen, daß wir uns
außerordentlich darum bemüht haben, daß uns Garantien
gegeben werden, so daß wir annehmen können, daß
die mit der Wehrerziehung betrauten Vereine nicht ein Vorbehalt
für das èechische Volk und die Wehrzentralen ein Vorbehalt
für die Volksgruppen werden. Darin sehen wir Voraussetzungen
einer Ungleichheit und Grundlagen für eine nationalpolitische
Entwicklung, bei der wir effektiv Bürger zweiter Klasse wären.
Auf der anderen Seite lassen Sie mich darauf hinweisen, was Sie
in dieser Vorlage so klar zum Ausdruck bringen, daß Sie
nämlich nicht gesonnen sind, den ethnographischen Tatsachen
und psychologischen Zuständen, in denen sich die Gesamtheit
der Staatsbürger dieses Staates befindet, Rechnung zu trag.en.
Das heißt, Sie verlangen von uns die Übernahme einer
allgemeinen Bürgerpflicht; wir erklären Ihnen unumwunden:
Wir übernehmen diese allgemeine Bürgerpflicht, haben
aber keinen Glauben, daß bei der Organisation dieser allgemeinen
Bürgerpflicht die absolut gleiche Behandlung garantiert ist.
Das kommt daher, daß, wie die Vorbereitung dieses Entwurfes
gezeigt hat, man die völkischen Verbände, welche in
der hervorragendsten Weise die körperliche Erziehung durchführen
und daher von vornherein geeig.net sind, auch die Wehrerziehung
durchzuführen, zu der Vorbereitung dieser Novelle nicht herangezogen
hat. Das ist meines Erachten eine Unterlassung, die psychologisch
vollkommen verfehlt ist. Denn Sie können nicht in einer deutschen
Stadt die deutsche Jugend in den Wehrzentralen und die èechische
Jugend in den Sokols oder tìlocvièné Jednoty
turnen und wehrerziehen lassen! Hier ergeben sich solche Differenzen
und Spannungen, daß der Zweck, den wir, wie ich ausdrücklich
sage, anerkennen, durch diese Art der Wehrerziehungsvorlage nicht
erreicht werden kann. Darauf haben wir Sie ganz offen und ehrlich
aufmerksam gemacht. Sie waren nicht entschlossen, in diesem Sinne
die Wehrvorlage zu ändern, und infolgedessen sind wir außerstande,
ihr zuzustimmen.
Ich muß gleich hier gegen den Koll. Vodièka,
der gestern hier den Deutschen Turnverband die illegale Hitler-Armee
g.enannt hat, schärfsten Einspruch erheben und ihm sagen,
daß das eine grobe Unwahrheit ist; ich muß ihn darauf
aufmerksam machen, daß Urteile vorliegen, wo die rote Presse,
die dieselben Behauptungen aufgestellt hat, diese Behauptungen
zurücknehmen mußte, weil sich die Herren @a la Vodièka
überzeugen mußten, daß ihre Behauptungen unwahr
sind. Ich stelle das hier fest, muß aber gleichzeitig feststellen,
daß leider Gottes solche unbewiesene und unwahre Behauptungen
bei Ihnen eine entscheidendere Rolle spielen als die reelle Wirklichkeit
und Wahrheit. (Potlesk poslancù sudetskonìmecké
strany.) Nach solchen Gesichtspunkten kann die Politik nicht
gemacht werden und wir bedauern feststellen zu müssen, daß
auch die Staatspolitik nach solchen Gesichtspunkten gemacht wird.
Und deshalb manifestieren wir in dem Augenblicke, wo wir für
die Vorlage nicht stimmen, daß wir dieses System und diese
Unwahrheit in der Staatspolitik energisch ablehnen.
Lassen Sie mich nun mit der Vorlage selbst beschäftigen,
und zwar zunächst vom Standpunkt der Erziehung. Diese Vorlage
ist eine Erziehungsvorlage, weil nach § 1 der Vorlage die
bisherige Erziehungs- und Bildungsfürsorge des Staates um
die Wehrerziehung erweitert wird. An sich wäre diese Erweiterung
im Geiste der Zeit durchaus begründet, aber linear schaffen
Sie in diesem Gesetz einen Unterschied zu der sonstigen Organisation
und der sonstigenTendenz derSchulerziehung. Die Schulerziehung
war immer und ist auch durch die letzten Verordnungen über
die Lehrpläne aufgebaut auf der nationalen Kultur; es wäre
daher eine Selbstverständlichkeit, daß bei der Erweiterung
der Erziehung auf ein so großes Gebiet ebenfalls der Grundsatz
der Bindung dieser Erziehung mit der nationalen Kultur gelten
würde. Wir haben auch in dieser Richtung einen Antrag eingebracht,
der sich ausdrücklich darauf berief, daß, da das Erziehungswesen
bei uns auf der Grundlage der nationalen Kultur aufgebaut ist,
es sogar-logisch wäre, es auch so in der Wehrerziehung zu
machen. Sie haben diesen Antrag abgelehnt, ich glaube zum Nachteil
des Zweckes dieses Gesetzes. Denn ich kann Sie versichern - ich
glaube, daß es allgemein bekannt ist, daß der zweitgrößte
körpererzieherische Verband der Èechoslovakei ein
deutscher Verband ist, der vorbildliche körpererzieherische
Arbeit vollführt - daß es eigentlich widersinnig ist,
daß Sie die doch so stark auch auf die körperliche
Ertüchtigung eingestellte Wehrerziehung nicht von vornherein
körpererzieherischen Vereinen zuteilen, die von Bedeutung
sind und die nachgewiesen haben, daß sie sachlich und fachlich
auf der Höhe stehen.
Es ist im Motivenbericht und in den Ausführungen der einzelnen
Sprecher in den Ausschüssen und auch von den Herren aus dem
Ministerium für nationale Verteidigung festgestellt worden,
daß durch die Wehrerziehung zunächst eine große
moralische Beeinflussung erzielt werden soll, d. h. man will eine
Art neue Ethik in der Bevölkerung schaffen. Es scheint mir
geradezu verhängnisvoll zu sein, daß man sich nicht
bemüht, auf dem gleichen Wege dieselbe Ethik in der Gesamtbevölkerung
herauszubilden.
Es ist ein Unterschied im Motivenbericht, dem das Malheur passiert
ist, daß einige Abschnitte von der 'Nation' und andere wieder
von der 'Bevölkerung' sprechen. Ich stelle auch fest, daß
von dieser Stelle gestern auch der Minister für nationale
Verteidigung Machník eigentlich, wenn Sie wollen,
denselben lapsus linguae begangen oder dieselbe grundsätzliche
Unterscheidung gemacht hat. Dagegen erheben wir Einspruch, und
zwar deshalb, weil es psychologisch untrag.bar ist, daß
man von einer Nation spricht und das èechoslovakiche Volk
meint. Es ist von Ihnen Wahnsinn, daß Sie eine Unterscheidung
zwischen 'národ' und 'obyvatelstvo' machen, daß Sie
also gewissermaßen 33% der Bevölkerung sagen, sie hätten
mindere Rechte und mindere Ansprüche also die 66 %. (Potlesk.)
Sie wissen, meine Herren, ich persönlich bin davon weit
entfernt, in irgendeiner Weise zu demonstrieren oder zu provozieren,
aber ich erkläre Ihnen, daß damit von Ihnen selbst
eigentlich die ganze Frage des Staates aufgeworfen ist (Potlesk.)
und zwar deshalb, weil es unerträglich ist, daß
Sie unklar bleiben und von dem einen zum anderen Begriff jonglieren
und vergessen, daß es sich nicht um 100% èechoslovakische
Volksangehörige handelt, sondern bloß um 66.9% nach
der Volkszählung vom Jahre 1930. Und wenn Sie glauben, daß
der Weg der deutschen Regierungsparteien dazu führt, daß
Sie auf kaltem Wege diesen Prozentsatz erhöhen, so sage ich
mit dem ganzen Ernste, den ich für mich in Anspruch nehme;
auf diesem Wege ist das nicht zu erreichen. Ruhe erreichen Sie
nur, indem Sie das ganze System ändern, indem Sie einfach
den realen Tatsachen Rechnung tragen und darauf verzichten, die
ganze Staatspolitik auf einem Schein, auf einer Unklarheit und
auch auf einer Selbsttäuschung aufzubauen.
Sehen Sie, ich habe mit Erstaunen und gleichzeitig mit Befriedigung
die Beschlüsse des nationaldemokratischen Parteitages gelesen.
Dort wurde das, was Sie im Stillen anstreben und was Sie im Stillen
denken, offen ausgesprochen. Dieser Parteitag hat gezeigt, daß
man dort eigentlich viel mehr Mut hat als Sie, meine Herren! Denn
dort wird nichts mehr von Versprechungen und Zusagen gesagt, sondern
einfach festgestellt, 33% der Bevölkerung - ich g.laube,
der Parteitag hat sich übrigens über diese Zahl getäuscht
- also die nationalen Minderheiten haben nur zwei Möglichkeiten:
entweder sich assimilieren zu lassen oder national bewußt
zu bleiben und damit gegen den Staat als Gegner aufzutreten. Das
kann vielleicht in einem Staate der Fall sein, wo nicht 33%, sondern
3% nationale Minderheiten vorhanden sind, aber in einem Staate,
wo ein Drittel der Bevölkerung eine andere Sprache spricht
und kulturell aufgeschlossen ist, ist es unmöglich, nur diese
Wahl zu sehen: Assimilation oder Unterdrückung! Wenn ich
aus der Resolution des Parteitages noch etwas hervorheben soll,
so ist es ein unlösbares Problem, nämlich die alte Palacký,sche
These von dem historischen Kampf zwischen den Deutschen und den
Èechen, von dem angeborenen und unausrottbaren Antagonismus
zwischen Germanen und Slaven. Es ist doch außerordentlich
bezeichnend, daß die Partei der èechoslovakischen
Intelligenz derart über Thomas Masaryk hinweggeht,
der ja bekanntlich die These Palacký's so ausführlich
bekämpft hat und von der ich angenommen habe, daß er
sie auch bei Ihnen liquidiert hat. Wir können zu dieser Resolution
des nationaldemokratischen Parteitages nur feststellen, daß
der Parteitag ausgesprochen hat, was man gegen die Tatsachen und
Bedürfnisse dieses Staates der öffentlichen Meinung
einredet und was unter keinen Umständen das ist, was einer
friedlichen Entwicklung in diesem Staate Nutzen bringen kann.
Wenn auf der einen Seite von uns gesagt wird, daß wir uns
entweder assimilieren sollen oder in einem ewigen Kontraste zum
Staate auf der Basis des alten Antagonismus zwischen Slaven und
Germanen stehen müssen, dann kann der Staat doch nicht zur
Ruhe kommen! Sie, meine sehr geehrten Herren, werden doch endlich
einsehen müssen: Assimilieren lassen wir uns nicht! (Potlesk.)
Es kann auch kein solches Erstens oder Zweitens geben, - wie
es die Resolution sagt: Die Aufgabe des èechoslovakischen
Staates ist es, einen Mittelweg zu gehen, und wenn dieser Mittelweg
nicht gefunden wird, dann gibt es eben ewigen Kampf, ewige Unruhe,
etwas, was uns, die wir noch die Tradition der braven Staatsbürger
in den Knochen haben, durchaus nicht genehm ist. Sie bilden sich
ein oder glauben, es sei unser Streben, es sei unser höchstes
Ziel, Unruhe zu schaffen. Nein! meine sehr geehrten Herren, fragen
Sie uns, wie wir unter den Übergriffen, unter der Unordnung,
unter den Ungerechtigkeiten leiden, seelisch leiden, weil wir
noch immer glauben, daß diie staatliche Grundlage Ordnung,
Gerechtigkeit und Recht sein muß!
Wenn wir die Dinge so betrachten, so müssen wir wieder sagen,
daß die Wehrerziehungsvorlag.e verfehlt ist, weil sie den
Tatsachen nicht mit klaren Augen ins Gesicht schaut, weil sie
glaubt, irgendwie die nationale Kultur ersetzen zu können
durch staatlichen Drill, weil sie glaubt, daß sie keine
Mittler zwischen der breiten Masse von jungen Leuten, die aus
31/2 Millionen Menschen eben alljährlich herauswachsen, und
dem Staat benötigt, und weil sie der Meinung Ausdruck gibt,
daß sie sozusagen abseits der nationalen Kultur des Sudetendeutschtums
eine Erziehung durchführen kann, die vollkommen der nationalen
Kultur entbehrt.
Meine Herren, wir haben nicht nur in dieser Legislaturperiode,
sondern seitdem Deutsche in dieses Parlament eingezogen sind,
immer davor gewarnt, in der èechoslovakischen Politik die
Psychologie sozusagen auszuschalten. Wir haben bei unendlich vielen
Anlässen immer darauf hingewiesen, daß die Tatsache,
daß nur etwas über zwei Drittel der Bevölkerung
sich zur èechoslovakischen Nationalität bekennen,
notwendig macht, eine ganz eigene Art staatlichen Zus ammenlebens
zu finden. Wir haben stets von Ihnen verlangt, einzusehen, daß
man zwar eine Zeit lang die Wahrheit über die Entwicklung
beschönigen kann, daß man dies oder jenes tun kann,
was nach außen schön aussieht, das aber nach innen
nichts bedeutet. Auch bei dieser Vorlage warnen wir vergebens,
indem wir feststellen, daß gerade dieses Gesetz wiederum
der Ausgangspunkt für eine Fülle nationalpolitischer
Beschwerden unsererseits wird, denn ein Gesetz, das 31 Regierungsverordnungen
ankündigt, ist geradezu dazu geschaffen, die Unklarheit und
den Wirrwarr in der staatspolitischen Entwicklung zu erhöhen.
Dafür machen wir uns nicht mitverantwortlich, indem wir dieser
Vorlage zustimmen.
Ich möchte aus parlamentarischer Akkuratesse feststellen,
daß vor allem die Verhandlungen im Wehrausschuß auf
der Basis einer guten Kollegialität geführt wurden.
Ich will auch feststellen, daß der Herr Referent des Wehrausschusses
manches in seinem Ausschußbericht aufgeklärt hat, was
uns beunruhigt hat und worauf wir hingewiesen haben. Aber wir
können - verzeihen Sie diese Selbstverständlichkeiten
nicht quittieren, indem wir nun glauben, daß alles geschehen
sei, und der Vorlage zustimmen. Ich will die Frage, wie dieses
Gesetz zu bewerten ist, abschließen und vom Standpunkte
der Erziehung sagen: Sehen Sie doch nach 18 oder bald 19 Jahren
ein, daß das Experiment der Assimilation auf kaltem Wege
mißlungen ist, ein Experiment, von dem sehr namhafte Denker
auf èechischer Seite die Überzeugung haben, daß
es unrichtig ist. Ein verfehltes Experiment setzt man aber nicht
fort.
Ich möchte hier aus dem schönen Traktat von Komenský
"Unum necessarium" nur einen Satz herausgreifen: "Zu
einer vollkommenen Einheit ist notwendig eine würdige Gleichheit
oder eine würdige Regierung, so würdig wie der Gehorsam
oder die allgemeine Freiheit, die die Führerin und das Licht
freier Taten ist." Sie werden mir sagen, das seien die Richtlinien
Ihrer Politik seit jeher! Ich sage Ihnen aber: Sie irren, Sie
sind im absoluten Widerspruch zu Ihren Denkern, zu Ihrer Tradition,
zu Ihren großen Menschen. Die Praxis der Staatsführung
und der Verwaltung entspricht nicht den Traditionen und Auffassungen,
die Sie oft sehr emphatisch sich selbst und der Welt vorreden.
(Potlesk.)
Ein zweites Gebiet, das ich hier behandeln möchte, bezieht
sich auf das Gesetz selbst. Ich habe schon im Wehrausschuß
darauf hingewiesen, daß der Motivenbericht so tut, als ob
erst die Wehrerziehung kommen mußte, damit eine moralische
Erziehung unserer Bevölkerung beginnt. Viele Stellen des
Motivenberichtes zeigen, daß die Wehrerziehung sehr stark
in die allgemeine Schul- und Bildungserziehung hineinwachsen soll,
was ich vielleicht als alter Schulmann - nicht für richtig
halte. Es scheint mir ein gewisses Mißtrauen gegen unsere
Pädagogik zu bestehen, wenn der Motivenbericht zum Wehrerziehungsgesetz
dazu anfeuert, daß die öffentliche Moral gehoben werde.
Ich zweifle gar nicht, daß das auch eine Aufgabe der Wehrerziehung
ist, glaube aber, daß es in erster Linie eine Aufgabe der
allgemeinen Bildungs- und Schulerziehung ist und daß der
Pädagogik in dem Motivenbericht in großem Maße
Unrecht getan wird. Man sieht daraus zweierlei:
Erstens: Die Militärverwaltung tritt im gewissen Sinne als
Korrektor der bürgerlichen Erziehung auf. Da stehe ich auf
dem durchaus sachlichen Standpunkt, daß das unrichtig und
unpraktisch ist, abgesehen davon, daß ich glaube, daß
es auch gar nicht verfassungsmäßig ist. Ich bin der
Anschauung, daß eine sehr genaue Trennung zwischen Gesetzgebung
und Verwaltung und innerhalb der Verwaltung zwischen den einzelnen
Verwaltungszweigen bestehen muß. Wir haben darauf Acht zu
haben, daß der Soldat die bürgerliche und politische
Entwicklung mit anderen Augen ansieht und in gewissem Sinne auch
mit anderen Augen ansehen muß, und deshalb glaube ich, daß
der ungeheuer starke Einfluß des Militärs auf diese
Vorlage unrichtig ist. Wir haben gerade, weil die Durchführung
dieser Vorlage so plötzlich erfolgen soll, nämlich bis
zum 1. September d. J., und alle die Verordnungen und Weisungen
im Einvernehmen mit der Militärverwaltung erfolgen sollen,
die sehr bedenkliche Tatsache festzuhalten, daß sehr rasch
und noch dazu während der Ferien - die sind bekanntlich bei
uns immer ausgiebig! - alles gemacht werden muß, und daß
bei dieser Raschheit infolge der Terminierung des Beginns des
Gesetzes alles von den Soldaten gemacht wird, ohne entsprechende
Rücksichtnahme auf die schulerzieherischen und sonstigen
Fragen, die dabei in Betracht kommen.
Als Zweites möchte ich hervorheben: Wir haben doch hierzulande
an Psychose schon genug. Wir wissen gar nicht mehr, wo reale Tatsachen
und wo die Psychose entscheidet. Die Skrupellosigkeit der Prager
èechischen Presse und die allgemeine Meinung, wie sie auch
in Wehrfragen vorherrscht, tragen eigentlich jeden Tag dazu bei,
daß die Psychose stärker wird als der klare nüchterne
Verstand. Das gilt nicht nur an den Stammtischen oder in der Bevölkerung,
sondern ich glaube, daß diese Psychose auch sehr stark bei
den Entscheidungen der Regierung mitwirkt.