Hohes Haus! Kamerad Birke hat gestern die gegenständliche
Vorlage zum Anlaß genommen, um ausgehend von unserer. presserechtlichen
Praxis zu jenen aktuellen politischen Fragen Stellung zu nehmen,
die uns gerade in den letzten Tagen wieder stärker denn je
bewegten. Gestatten Sie, daß ich Kameraden Birke
noch ergänze. Wie man hört, sind wir heute in dieser
Session zum letztenmal beisammen. Es ist gerade ein Jahr her,
einige Tage mögen fehlen, daß wir uns das erstemal
hier getroffen haben, richtiger, daß die gewählten
Abgeordneten der in der Sudetendeutschen Partei organisierten
Deutschen unseres Staates erstmalig in diesem hohen Hause erschienen
sind. Diese Tatsache an sich legt den Gedanken nahe, so etwas
wie eine Bilanz zu versuchen. Um es kurz herauszusagen: wir halten
sie für unbefriedigend, jedoch keineswegs vom Standpunkt
unserer Parteiinteressen.
Wenn wir rückblickend die Tätigkeit eines hohen Hauses
im abgelaufenen Jahre überschauen, bleibt für uns die
bestürzende Tatsache bestehen, daß die èechoslovakische
Nationalversammlung in einer Zeit drängendster und gärendster
Entwicklungen nicht in der Lage war, auch nur zu einer politischen
Vorlage von grundsätzlicher Bedeutung Stellung zu nehmen
und sich mit ihr zu befassen, die geeignet gewesen wäre,
den Abbau aller jener innerpolitischen Spannungen vorzubereiten,
die aus der Diskrepanz zwischen den gegebenen bevölkerung
smäßigen Entwicklungstatsachen und den zu eng gezogenen
und von der heutigen, die Macht im Staate habenden Gruppe faktisch
aufrecht erhaltenen Grenzen, dem Widerstreite zwischen der Vielheit
der Nationalitäten im Staate und dem gewollten Nationalstaate
andererseits, den Spannungen, die aus dem Nationalitätenproblem
erwachsen. Umsomehr haben wir uns veranlaßt gesehen, uns
über alle drängenden Sorgen aus den laufenden Alltagsgeschäften
hinweg, deren Bedeutung kein Mensch übersieht, mit den Fragen
zu befassen, die unserer Meinung nach das Grundproblem des Staates
ausmachen. Hiezu hat auch unsere Egerer Tagung gedient.
Wir haben durchaus nicht die Mahnung eines hochzuverehrenden Herrn
Staatspräsidenten überhört, der erst kürzlich
meinte, weniger Ideologie und mehr positive Arbeit tue Not. Wir
verschließen uns nicht der tieferen Erkenntnis eines im
harten Leben gereiften Mannes, der heute die Geschicke unseres
Staates lenkt. Es ist ganz zweifelsohne so, daß im praktischen
Leben sich oft vieles viel einfacher gibt und leichter erträglichen
Lösungen zugeführt werden kann, was im Rahmen theoretischer
Erörterungen unfruchtbares Kopfzerbrechen verursachte.
Aber darum geht es unseres Erachtens nicht. Das Nationalitätenproblem
ist im Staate aktueller denn je, nicht etwa weil einige Intellektuelle
oder Dogmatiker im deutschen Lager immer wieder in unstillbarer
Sucht die Dinge aufreißen, sondern weil die Menschen, die
heute von ihnen sprechen, nur jene Kräfte verdeutlichen,
die mit aller elementarer Dynamik aus dem Urgrunde letzter gesellschaftlicher
Mächte erfließen. Es ist eben Tatsache, daß in
dem Augenblicke, in dem man uns Deutschen im Staate, so weit sie
zumindest in der SdP organisiert sind, vorwirft, wir seien Träger
antidemokratischer Bestrebungen, die gemessen am Strukturprinzip
unseres heutigen staatlichen Lebens absolut systemfeindlich sind,
in Wirklichkeit die Deutschen im Staate den Zustand maximaler
Demokratisierung erreicht haben, allerdings so ferne man darunter
das Aufspalten politischen Bewußtseins selbst in den Reihen
der ärmsten Teufel, also der sozial Schwächsten, und
das Werden eines neuen Gesamtwillens im Sinne eines echten Kollektivwillens
versteht. Das ist es aber, was offenkundig so sehr verst immt.
Wir aber meinen, daß man derartig kollektivierten Willen
nicht als peinliche Tatsache im innerpolitischen Leben ängstlich
beäugen sollte, heimlich hoffend, es würde doch irgendwo
aus dem Bereich der sozialen Spannung her der Bruch kommen, oder
im besonderen besorgt nicht so tun sollte, als ob polizeiliche
Vorsorge wirklich die aktuellste aller Aufgaben im Staate wäre.
Es schiene uns zweckmäßiger, doch einmal, wo man doch
so gerne von psychologischen Dingen auf der èechischen
Seite spricht, unsere Haltung auch psychologisch zu verstehen
zu versuchenn. Verstehen Sie die SDP doch endlich einmal als Ausdruck
des großen und durchgreifenden Generationswechsels im Lager
der Deutschen. Ob es gut war, daß er so durchgreifend und
schon jetzt erfolgte, darüber wohl mögen sich einmal
Historiker und Soziologen in späteren Zeiten die Köpfe
zerbrechen. Er ist Tatsache. Er ist aber vor allem Tatsache mit
seiner Berufung von Menschen, deren entscheidendes Jugenderlebnis
der Versuch der totalen Erneuerung des Lebens war, getragen von
der großen lebenserneuerischen Welle, die die Gesamtheit
deutscher Jugend vor dem Kriege erfaßt hatte. Wenn Sie sich
diese Tatsachen erst vor Augen halten, werden Sie sich künftig
davor hüten, Ausdrucksformen eines Ihnen noch ungewohnten
Lebensstiles als Symptome für rein politische und, wie Sie
meinen, letzten Endes systemfeindliche Tendenzen zu halt en.
Es ist ja leider so, daß die Presse an sich nur in engsten
Grenzen den geistigen Inhalt einer Tagung, wie es die von Eger
war, widerzuspiegeln vermag. Nur wer ehrlich und sachlich interessiert
ist, wird ja Gelegenheit haben, schon in den allernächsten
Tagen die im Druck erscheinenden Referate nachzulesen, soferne
sie allerdings der Zensor nicht der Öffentlichkeit vorenthält.
Wer politisch verantwortlich handeln will, wird es auf alle Fälle
tun, weil begrenzte Zufallsauszüge pressemäßiger
Art,- insbesondere dann, wenn sie noch unter bösartigen Gesichtspunkten
erfolgen und irreführen, die völlige Kenntnisnahme des
tatsächlich Gesagten nicht ersetzen können.
Eines aber scheint mir beinahe nach Eger festzustehen, daß
wir doch noch immer in sehr weitem Maße zweierlei Sprachen
sprechen. Wenn ich mir die Äußerungen von èechischer
Seite zur deutsch-èechischen Frage aus letzter Zeit, auch
schon vor Eger, vor Augen halte, dann will es mir scheinen, daß
man absolut nicht einsehen will, daß wir eben mit einem
neuen Ethos an die politischen Dinge herangegangen sind und nach
der grundsätzlich neuen Basis suchen. Und wenn wir das nicht
tun, dann ist das eben ein nicht Zuviel an Ideologie, das einer
konstruktiven Praxis im praktischen Leben entgegenstehen könnte,
sondern es ist nur ein Handeln aus besserer Erkenntnis, die an
dem Schicksal eines tausendjährigen Reiches gelernt hat,
daß auch das geschickteste Fortwursteln den Mangel an Mut
zur grundsätzlichen Lösung zu ersetzen nicht vermag.
(Souhlas poslancù sudetskonìmecké strany.)
Hohes Haus! Wenn man so gelegentlich mit Kollegen im èechischen
Lager spricht, dann ist immer die für uns frappierende Tatsache
festzustellen, daß man annimmt, als ob wir keinen andern
politischen Ehrgeiz hätten, als durch Männer unserer
Partei die Herren Minister Dr. Czech und Dr. Spina
abzulösen. Darauf kann ich Ihnen nur sagen: "Wenn wir
gegen die beiden Herren gar nichts einzuwenden hätten als
daß ihnen eben die Mitverwirklichung eines Zustandes im
Leben unseres Staates versagt geblieben ist, den unsere Deutschen
im Lande nun einmal als Lebensvoraussetzung verlangen und erhoffen,
müssen wir dennoch sagen: Mißverstanden! Es ist unser
Verhältnis zum System und seinen Institutionen des öffentlichen
Lebens nicht das, daß wir sie minderachten und die Ehre
der unmittelbaren Mitwirkung und die Möglichkeiten praktischer
Auswirkungen nicht zu schätzen und zu erkennen vermöchten.
Wer uns derartiges unterstellt, macht sichs leicht und bleibt
im Primitiven. Aber wir können unter gar keinen Umständen
uns damit begnügen, bloß die persönlichen Chancen
zu sehen, die die Teilnahme am politischen Leben den einzelnen
von uns gibt. Diese Chancen werden dann erst interessant werden,
wenn wir wissen, daß mit der möglichen Berufung die
neuen Voraussetzungen eines funktionellen Wirksamwerdens im Sinne
echter Versöhnung der Nationalsozialisten im Staate verbunden
sind. (Souhlas.)
Wenn wir so bemüht sind, die Stimmungen im èechischen
Lager zu verstehen, dann kommen wir immer wieder zur Feststellung,
daß man im èechischen Lager entweder nicht in der
Lage ist, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind, oder daß
man glaubt uns zumuten zu können, eine Politik mitzumachen,
die im tiefsten Sinne voraussetzungslos ist. Dagegen wehren wir
uns aber mit allem Nachdruck, weil wir felsenfest davon überzeugt
sind, daß es eine voraussetzungslose Politik nicht gibt.
(Potlesk.) Würden wir sie versuchen, würden wir
nur in die Fußstapfen jener treten, die glaubten, die gegebenen
Bevölkerungstatsachen im Staate als wahrhaft dialektische
Elemente in dem Bereich, in dem die Mächte des Schicksals
ihre Diskussionen historischen Ranges abführen, verleugnen
zu können. Würden wir es tun, würden wir dem gleichen
unvermeidlichen Schicksale unserer Vorgänger verfallen.
Nun werden Sie sagen: Als fürchtet Ihr euch vor der Masse
und seid doch auch nichts anderes, als die Gefangenen von Massenstimmungen.
Darauf kann ich nur erwidern: Mitnichten. Ich kann mich vor allem
darauf berufen, daß ich selbst ganz eindeutig als Referent
in Eger erklärt habe, daß wir uns nie zu Gefangenen
von Massenstimmen machen werden, nicht einmal jener, die als ein
beängstigendes Verzweifeln am Staate im deutschen Lager sichtbar
zu werden beginnen, und dies deshalb, weil wir uns als Träger
einer historischen Aufgabe fühlen, deren gelungene Lösung
der ehrliche Friede zwischen den Nationalitäten im Lande
ist und ich glaube, nicht mit Unrecht in Eger behauptet zu haben,
daß wir heute bereits die besseren Bürger dieses Staates
sind, weil wir an politischen Zielsetzungen festhalten, die durch
Mißgriffe im èechischen Lager und Verständigungslosigkeit
einer gewissen Presse tatsächlich in einem großen Teile
der Deutschen unseres Staates unpopulär zu werden beginnen.
Niemand glaube, daß man derartigen Gefahren einer rückläufigen
Entwicklung wirksam zu begegnen vermag, indem man sich anschickt,
mehr optische als tatsächliche Siege zu erringen, indem man
die Neigung des Deutschen zu respektvollster Anerkennung der Repräsentation
höchster staatlicher Autorität an sich im politischen
Spiele nützt und scheinbar daran geht, die Ges amtheit der
Organisationen unseres wirtschaftlichen und kulturellen Lebens
gegen die Totalität der politischen Repräsentanz, soweit
wir als solche erscheinen, auszuspielen. Immer bleiben die Menschen
entscheidend. Es sind dieselben Menschen, die hinter diesem und
jenem stehen, was deutscherseits an repräsentativen Kräften
des Deutschtums in diesem Staate sichtbar geworden ist. Wer sich
in derartig verlockender innerpolitischer Strategie versucht,
möge nie übersehen, daß es letztlich politisch
darauf ankommen würde, welche dieser Repräsentanzen
von den Menschen als die entscheidende und erstrangige angesehen
würde. (Souhlas a potlesk.)
Wir haben in letzter Zeit viel von der Bürokratie gesprochen.
Nicht etwa, daß wir hier aus kleinbürgerlichem Ressentiment
einfach Beschwerden vorgebracht hätten, nein, aus einer sehr
praktischen Erkenntnis. Die Tätigkeit des subalternen Beamten
ergibt für den Bürger im Lande den tatsächlichen
Verfassungszustand und der zeigt sich ihm sehr böse, mehr
als eine Summation von Unrecht und Teilnahmslosigkeit gegenüber
den für ihn lebenswichtigen Sorgen, denn als verantwortungsbewußte
und gerechte Gestaltung der Lebensbedingungen der Bürger
selbst. Wir aber erkennen die Totalität der Sorgen der Menschen
im Lande und wenn wir aus der Kenntnis dieser Sorgen den unerfreulichen
Erscheinungen auf den Grund zu gehen bereit sind, müssen
wir eben so sprechen, wie wir es in letzter Zeit getan haben.
Man konnte in den letzten Tagen wiederholt von èechischer
Seite hören: Alles gut, was ihr sagt, aber Deutschland! Nun,
ich möchte mich hier nicht in große Analysen einlassen,
sondern Sie nur auf die "Pøítomnost" vom
24. Juni verweisen und hinweisen auf das Gespräch, welches
ein Mitarbeiter dieser Zeitschrift mit einem Angehörigen
unserer Bewegung abgeführt hat, der dort ein sehr interessantes
Beispiel gebracht, und etwa sagt (ète): "Man
möge nicht verkennen, daß wir irgendwie an Tradition
gebunden in dieser Welt stehen, daß wir nicht erst hineingeboren
wurden in die Welt am Tage des Beginnes des Staates und daß
aus dieser Entwicklung gesehen wir zu vergleichen sind einer Frau,
die wider ihren Willen verheiratet worden ist, zunächst dem
ungeliebten Mann in die Ehe folgt, und dort versucht, mit Korrektheit
und Anstand das eheliche Leben zu führen, die aber jetzt
in eine Zwangslage versetzt wird, weil man ihr überdies noch
zumutet, die Eltern zu verleugnen, weil diese in gesellschaftlichen
Verruf gebracht worden sind. Man darf auch im politischen Leben
von den Menschen nichts Unmenschliches verlangen, nur dort wo
die Politik psychologisch und menschlich ist, wird sie gut sein."
Wer sich die Mühe gibt, die offiziellen Kundgebungen unserer
Partei in den verschiedenen Zeiten der Entwicklung zu prüfen,
wird feststellen können, daß entgegen allen Behauptungen
auch in Eger kein Bruch unserer Linie erfolgte. Lesen Sie doch
nach, was Konrad Henlein schon in Leipa sagte! Verstehen Sie doch
endlich, daß wir Menschen sind, die aus ihrer Haut nicht
herauskönnen, die aber auf der anderen Seite bereit sind,
nach den Grundsätzen absoluter Anständigkeit dort zu
handeln, wo es schicksalshafte Fügungen wahrhaftig nicht
leicht machen, den richtigen Weg zu finden! Sehen Sie doch weniger
die Schwierigkeiten - die wir tatsächlich zu überwinden
haben - sondern nehmen Sie doch die Tatsache des neuen Ethus zur
Kenntnis, das unter dem Gesichtspunkte echter staatlicher Interessen
wichtiger ist als geschäftig geschäftsbedachte Unterwerfung,
die wohl Unannehmlichkeiten im Augenblicke erspart, aber den Fluch
der Lüge und der Unaufrichtigkeit in sich trägt und
einmal wirksam werden lassen muß. (Souhlas.) Lassen
Sie mich schließen mit den Worten eines Mannes, der (obrácen
k èeským poslancùm) bei Ihnen schon nicht
mehr viel gilt, für mich aber die Personifikation der Sauberkeit
im politischen Leben darstellt, Dr. Karel Kramáø,
der mir einmal im persönlichen Gespräche sagte: "Niemals
haben Menschen ungestraft versucht, die Geschichte anzuschmieren".
Wir versuchen es nicht! (Potlesk poslancù sudetskonìmecké
strany.)
Hohes Haus! Der vorliegende Regierungsantrag Nr. 567 gibt mir
Gelegenheit, nicht nur zu diesem Antrag, sondern auch zu anderen
schmerzvollen Fragen der Gemeindeselbstverwaltungskörper
Stellung zu nehmen, bzw. diese Fragen aufzurollen. Es wäre
statt des vorliegenden unwesentlichen Antrages ein Antrag auf
Novellierung, bzw. auf Vereinheitlichung aller, sich mit den Fragen
der autonomen Selbstverwaltungsverbände befassenden Gesetze
dringend geboten, um speziell die Gemeindegesetzgebung in eine
Fassung zu bringen, die es jedem Bürger ermöglicht,
wenn er ein Gesetz zur Hand nimmt, sich darin auszukennen, sodaß
er nicht erst eine Unmenge von Büchern zu studieren genötigt
ist, um in das Durcheinander der rechtlichen Bestimmungen eindringen
zu können. Der vorliegende Antrag ist nun der siebente oder
achte Gesetzentwurf, der sich mit der Selbstverwaltung befaßt.
Die Gesetze, Sammlung der Gesetze und Verordnungen Nr. 76/1919,
Nr. 280/1920, Nr. 329/1921, Nr. 77/1927, Nr. 169/1930 und Nr.
69/1936 bringen in die Gemeindegesetzgebung eine Verwirrung, die
dazu angetan st, daß jeder Gemeindeamtswalter seine Schwierigkeiten
damit hat, sich zurechtzufinden, welche Vorschriften noch in Geltung
sind und welche nicht.
Der vorliegende Regierungsantrag stützt sich auf die Verordnung
Nr. 69 vom 25. März 1936 und trägt dasselbe Datum. Es
ist daher verwunderlich, daß sich das Finanzministerium
erst nach vierteljähriger Überlegung entschlossen hat,
diesen Regierungsantrag dem Parlament vorzulegen. Und nun, da
er vorliegt, sehen wir, daß er keine weitere Hilfe für
die Selbstverwaltungskörper beinhaltet, sondern im Gegenteil
eine Kürzung der Zuweisungen vorsieht, da man den Hilfsfond,
der nach der Regierungsverordnung Nr. 69 vom Jahre 1936 mit 202
Millionen Kè festgesetzt ist, im Finanzgesetz 1936 um 51
Millionen Kè reduziert hat und nun eine weitere Reduzierung
plant, die man damit begründet, daß durch die Zinsfußsenkung
die Ausgaben der Gemeinden niedriger und daß durch die Umwandlung
der kurzfristigen in langfristige Anleihen die Annuitäten
der Gemeindeschulden geringer sein werden. Man vergißt,
daß sich aus der Selbstverwaltung immer mehr und mehr eine
Auftragsverwaltung entwickelt hat. So sind vom Jänner 1933
bis Dezember 1934 21 neue Gesetze geschaffen worden, die die Mitwirkung,
die Mitarbeit der Gemeinden zu diesen Gesetzen vorsehen. Es ist
deshalb auch nicht zu verwundern, daß die Gemeindebe amten
den größten Teil ihrer Arbeiten im übertragenen
Wirkungskreis verrichten müssen. Es ist daher ein gutes Recht
der Gemeinden zu fordern, daß sich der Staat mit einer restlosen
Sanierung der Gemeindefinanzen befaßt, die jedoch nicht
auf Kosten der ohnehin schon ausgebluteten Gemeindeinsassen und
Steuerträger gehen darf, sondern vom Staat getragen werden
müßte. Es gibt Gemeinden, in denen die verschiedenen
Abgaben schon mehr ausmachen als die Steuerzuschläge, mehr
Ertrag liefern als die Gemeindeumlagen, woraus hervorgeht, daß
ein solches Verhältnis unmöglich gesund sein kann.
Wenn wir grundsätzliche Gegner der Fondswirtschaft sind und
uns auch heute gegen das vorliegende Gesetz aussprechen, weil
es wiederum eine Kürzung der Zuweisungen darstellt, so sind
wir es auch deshalb, weil wir behaupten können, daß
gerade unsere deutschen Städte und Gemeinden den Unsegen
dieser Fondswirtschaft im reichsten Maße bisher zu spüren
bekamen. Als im Jahre 1927 im Anschluß an das Gemeindefinanzgesetz
die Dotationsfonds bei den Landesämtern errichtet wurden,
hat sich so manche Gemeinde mit der Hoffnung getragen, ihren Abgang
ausgleichen zu können. Diese Hoffnungen haben sich zum großen
Teil als Irrtum erwiesen. Die Praxis hat gezeigt, daß die
Gemeindevoranschläge oft von Menschen überprüft
wurden, die keine Ahnung von praktischen Dingen haben und auch
nicht haben wollen und die bei Ansuchen der Gemeinden um Zuweisungen
aus den Ausgleichsfonds sich derart behalfen, um eine Abweisung
konstruieren zu können, daß sie den Gemeinden den Auftrag
erteilten, alle nur noch möglichen Abgaben und Gebühren,
deren Erträgnis sie willkürlich einsetzten, einzzuheben,
oder Abstriche an Gehältern und anderen Ausgaben vorzunehmen,
die schließlich und endlich doch die Gemeinde bezahlen muß.
So werden viele deutschen Gemeinden gezwungen, bereits die Höchstsätze
von Umlagen und Abgaben einzuheben und so kommt es auch in vielen
Fällen vor, daß in manchen Städten und Gemeinden
die Wasserzinsabgabe schon eine Höhe bis zu 4 Kè erreicht
hat. Wenn ich vorher von dem Unsegen dieser Fonds gesprochen habe,
so trifft dies für unsere deutschen Gemeinden im weitesten
Maße zu. Es weiß heute jedermann, daß die Not
und das Elend in den deutschen Gebieten, Gemeinden und Städten
ungeheuer groß ist, daß wir aber trotzdem feststellen
müssen, obwohl die Bedürftigkeit größer ist,
daß die Zuweisungen nicht dem nationalen Schlüssel
entsprechend erfolgen, daß die deutschen Gemeinden und Städte
bei diesen Zuweisungen um viele Millionen verkürzt wurden.
Fahren Sie heute im Lande herum, so werden Sie feststellen können,
daß, während die èechischen Städte über
alle neuzeitlichen Kommmmunaleinrichtungen verfügen, wir
in den deutschen Städten mangels an Geldmitteln diese Einrichtungen
vermissen. Wir gönnen den èechischen Städten
und Gemeinden die Segnungen der Neuzeit, aber wir müssen
sie auch in gleicher Weise für unsere deutschen Städte
und für unsere deutschen Gemeinden fordern. Es darf daher
nicht vorkommen, daß man wohl die Schönheiten des einen
Teils so recht hervorhebt, andererseits aber, wie es der Fall
gewesen ist, als unsere Kameraden auswärtige Journalisten
in die deutschen Notstands- und Elendsgebiete führen wollten,
dort eine Mauer von Polizisten und Gendarmen aufrichtet und erklärt:
"Bis hierher und nicht weiter!" Es muß der Staat
auch dafür Sorge tragen, daß in unseren deutschen Gebieten
man immer und zu jeder Zeit ausländischen Besuchern diese
Städte und Dörfer zeigen kann, damit diese Besucher
mit dem Eindruck von hier weggehen, daß der ganze èechoslovakische
Staat, nicht nur im èechischen, sondern auch im deutschen
Gebiet ein Muster der Ordnung darstellt.
Die Aufgaben der Polizei und der Gendarmerie sind in der neuesten
Zeit ganz eigentümlich geworden. Während, wie ich mich
aus meiner Tätigkeit als Bürgermeister zurückerinnern
kann, früher die Gemeinden die Strafgelder bei Verfehlungen
und Übertretungen zugewiesen erhielten, fließen jetzt
diese Strafgelder in die Staatskasse. Ja, man kann feststellen,
daß diese Strafgelder bei den gleichen Übertretungen
wie früher ein Vielfaches der früheren au smachen, ja
daß sogar Strafen bis zu 1.000 Kè deshalb verhängt
werden, wenn z. B. jemand zufällig einen Bekannten in seinem
Lastauto mitgenommen hat.

