Bei der Brünner Staatsbahndirektion wurde
eine Riesenunterschlagung aufgedeckt. Bis zur Stunde hat man festgestellt,
dass 433.000 Kronen, also beinahe eine halbe Million unterschlagen
wurden. Ein einfacher Vertragsarbeiter hat diesen Riesenbetrug
ausführen können. Dies war folgendermassen möglich.
Ein ehemaliger Kellner, namens Franz Räbl wurde auf Grund
seiner Sokollegitimation im Jahre 1920 bei der Bahnerhaltungssektion
Brünn II als Vertragsarbeiter für den Kanzleidienst
aufgenommen. Die Deutschen, seit Jahren eingearbeiteten Kanzleikräfte
wurden einfach als angeblich unzuverlässige Elemente entlassen
und Leute, wie der gerannte Räbl mit Sokollegitimation angestellt.
Er erschlich sich durch sein schlaues Verhalten das volle Vertrauen
seiner tschechischen Vorgesetzten und des Dienstvorstandes und
trotzdem er nicht einmal in einer Kanzlei verwendet werden sollte,
so übertrug man ihm alle möglichen Arbeiten, welche
nur ganz vertrauenswürdigen Angestellten zugeteilt werden
dürfen. Er verfasste Lohnzahlungslisten für die Arbeiter,
war mit der ganzen Geldmanipulation betraut, Millionen gingen
durch seine Hände. Er nahm eine Stellung ein, die nur einem
Beamten zukommt. Einen Aufwand betrieb er aber schon seit Jahren,
der einem Einkommen von einem Sektionschef, aber nicht einem Vertrags
- Arbeiter mit einem Taglohn von 18 Kronen entsprochen hätte.
Das fiel merkwürdiger Weise niemanden auf, dass ein Arbeiter,
der von Haus aus ganz mittellos ist, sich einen teueren echten
Stadtpelz kaufen und sich zahlreiche Autoausflüge in die
Umgebung leisten kann. Man vertraute ihm weiter die ganze Geldmanipulation,
war er doch ein Verlässlicher, ein guter Patriot.
Die Staatsbahndirektion und die Bahnerhaltungssetktion
wurden gewarnt und aufmerksam gemacht auf den verschwenderischen
Lebenswandel des Räbl, man passte angeblich auch etwas auf,
aber es dauerte noch Jahre; bevor man dem Betrüger auf seine
Schwindeleien kommen konnte.
Ein Bruder von ihm war schon vor Jahren von
der Bahn entlassen worden, war einige Zeit in der Irrenanstalt,
aber dann wieder als gebessert entlassen, hat ein gerichtliches
Attest, dass er unzurechnungsfähig ist, beschäftigt
sich trotzdem oder gerade deshalb mit verschiedenen meist nicht
einwandfreien Geschäften und bleibt straflos, da er als unzurechnungsfähig
nicht gefasst werden kann. Ein würdiges Brüderpaar.
Zu bemerken ist, dass die Bahnerhaltungssektion gegen die strenge
Vorschrift des Eisenbahnministeriums, einen Vertrags - Arbeiter
die Lohnliste arbeiten liess und auch mit der Auszahlungsmanipulation
betraute. Die Arbeiter der Strecke werden durch den Streckenvorstand
und seinen Stellvertreter ausgezahlt. Die Herren hatten es sich
bequem eingerichtet, haben sich die Geldbeträge vom Listenverfasser
Räbl in Säckchen abzählen lassen, brauchten also
bei der Auszahlung auf der Strecke nur die Geldsäckchen an
die Arbeiter verteilen. Stets stimmte es. Diese Bequemlichkeiten
seiner Vorgesetzten ausnützend, führte Räbl seine
Betrügereien aus. Er bewerkstelligte seine Veruntreuungen
auf die Weise, dass er sich in der senkrechten Addition der in
der letzten Rubrik eingesetzten Zahlen einen "Riesenfehler"
zuschulden kommen liess. So setzte er auf fast jeder Seite einen
höheren Betrag ein, was in manchem Monate bis 30.000 Kronen
betrug. Da ihm die Vorgesetzten, welche die Auszahlung besorgen
mussten, zu ihrer Bequemlichkeit die Abholung des Geldes von der
Sektionskasse und die Verteilung der Lohnbeträge in die einzelnen
Säckchen überliessen, so konnte er sich jedesmal ungehindert
die zugeschriebenen Beträge aneignen. So trieb es Räbl
bereits seit dem Jahre 1924 und daraus ist auch der grosse Umfang
des Betruges zu erklären.
Bei der Staatsbahndirektion sollen zwar die
Lohnzahlungslisten genau kontrolliert werden, doch ist aus diesem
Falle zu ersehen, wie die Kontrolle erfolgt. Wäre 1 Krone
unrichtig kontiert, so wäre deshalb sicher eine scharfe Rüge
verfasst worden und Umkontierungen hätten erfolgen müssen.
Aber eine Kontrolle, die einem Schwindel auf die Spur kommen müsste,
die wird nicht geübt. Ja die Listen, in welchen die Betrügereien
durchgeführt wurden, sollen nur am sogenannten Spiegel als
angeblich kontrolliert eingestrichen sein und da Räbl sicher
wusste, wie die Kontrolle erfolgt und wer kontrolliert, so konnte
er mit immer grösserer Frechheit schwindeln.
Wäre nicht neuerlich eine Anzeige gegen
Räbl erfolgt und hätte der kontrollierende Beamte nicht
direkt den Auftrag erhalten, die von Räbl verfassten Listen
besonders genau zu prüfen, so wäre Räbl bis heute
noch auf freiem Fusse.
Die Polizeidirektion führt nun sehr eingehende
Verhöre durch und wird hoffentlich nichts vertuscht werden
können. Sehr unangenehm ist die Affäre bestimmt für
sehr viele und auch für hohe Herren. Die Hauptschuld, dass
Räbl ungestört seine Betrügereien ausführen
konnte, trifft seine Vorgesetzten bei der Bahnerhaltungssektion,
da nur deren Bequemlichkeit es ihm eigentlich ermöglichte,
seine Betrügereien auszuführen.
Für den ganzen Fall ist folgendes mehr
als bezeichnend: Mit dem Vertragsarbeiter Franz Räbl war
und ist der Streckenvorstandstellvertreter und Oberstaatsbahnrat
D. per Du, massenhaft war gegen Räbl Klage geführt worden,
Missbräuche wurden ihm nachgewiesen, er liess sich von Bediensteten,
ja selbst von alten Bahnmeistern Herr Oberrevident benennen, gab
sich selbst, besonders in den Bars als Oberstaatsbahnrat aus,
liess sich von den Arbeitern als Herr Ingenieur ansprechen und
nahm sich wahrscheinlich infolge seiner Freundschaft mit einem
wirklichen Oberstaatsbahnrat, der auch sein Vorstandstellvertreter
war, Rechte heraus, die sich kein subalterner wirklicher Beamter
herausgenommen hätte. Kurz der Herr Ober Staatsbahn rat führte
ein Leben, das schon prasserisch genannt werden konnte und trieb
es auch in der Kanzlei so, aber nichts konnte das Vertrauen seiner
Vorgesetzten erschüttern, denn stets ging er mit dem Sokolabzeichen,
das er immer im Amt und Privatleben trug. Kein Mensch traute sich
gegen ihn etwas zu sagen, da sie ja sahen, was er sich erlauben
konnte, was noch seine Vorgesetzten sehen mussten und nichts gegen
ihn unternahmen.
Die Unterzeichneten fragen den Herrn Minister
an:
Ist er bereit, diese Unterschlagung, und die
Umstände, die dazu führten, genau zu untersuchen und
aufzuklären, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen,
und für eine dienstliche Ordnung zu sorgen, die in Zukunft
solche Unterschlagungen, die Jahre lang verübt wurden, unmöglich
zu machen?
Prag, den
7. März 1929.
Laut mir zugekommener Information wurden in
der staatlichen Tabakfabrik in St. Joachimsthal bei der Erzeugung
der "Aegyptischen Zigaretten" 10 neue Zigarettenmaschinen
eingestellt, von denen jede täglich 240.000 Stück erzeugt.
Bei der Kontrolle zeigte sich eine Verkürzung der mit diesen
Maschinen erzeugten Zigaretten von je 2 mm per Stück, was
bei der Tagesleistung einer Maschine 48 m, bei 10 Maschinen 480
m Ersparung an Material und Arbeit ausmacht, ohne
dass eine entsprechende Verbilligung dieser Rauchsorte eingetreten
wäre. Für die Tabakregie ergibt sich daraus bei einer
Tagesleistung von 2,400.000 Stück eine "Ersparung"
von 20.571.38 Kè täglich, ohne dass durch eine Verbilligung
die Raucher ein Aequivalent für
diese unlautere Praxis erhielten.
Deshalb stellen die Gefertigten die Aufrage:
1. Erfolgte diese Quantitätsverringerung
mit oder ohne Zustimmung und Kenntnis der Generaldirektoren der
Tabakregie in Prag?
2. Aus welchem Grunde war es notwendig, an
eine Verkürzung dieser populären Zigaretten zu schreiten
und warum wurde diese Tatsache nicht öffentlich mitgeteilt?
3. Ist der Herr Minister bereit, erheben zu
lassen, ob auch in anderen staatlichen Tabakfabriken ähnliche
Kürzungen stattgefunden haben und endlich
4. den Auftrag 2u geben, dass die frühere
Quantität wieder hergestellt werde?
Prag, am 7.
März 1929.
Auf Grund des § 9, Abs. 7 der Lohnregelung
für die Tabakarbeiterschaft kann im Sinne der Bestimmungen
des § 144 des Staatsangestelltengehaltsgesetzes den aktiven
Arbeiterinnen der Tabakregie ein Erziehungsbeitrag zuerkannt werden.
Diese Begünstigung besteht aber nicht
für die nach dem 1. Jänner 1926 in Pension gegangenen
Arbeiterinnen, auch wenn sie als aktive Arbeiterinnen den Erziehungsbeitrag
bezogen hätten. In Anbetracht der wachsenden Teuerung ist
es nun dringend notwendig, diesen nach dem 1. Jänner 1926
in Pension gegangenen Arbeiterinnen in analoger Anwendung der
Bestimmungen des § 9. Abs. 7 der Lohnregelung der Tabakarbeiterschaft
in berücksichtigungswürdigen Fällen den Erziehungsbeitrag
zuzuerkennen, ins besonders dann, wenn der Pensionistin früher
als aktiver Arbeiterin das Bezugsrecht zuerkannt worden war. Dass
die Gewährung des Erziehurgsbeitrages an die nach dem 1.
Jänner 1926 in Pension getretenen Arbeiterinnen der Tabakregie
eine Notwendigkeit ist, ergibt sich aus dem Umstande, dass durch
die Pensionierung die finanzielle Lage oftmals eine bedeutende
Verschlechterung erfährt. Diese Massnahme liefe gleichzeitig
parallel mit der von Vertretern der Regierung wiederholt angekündigten
und notwendigen finanziellen Besserstellung der staatlichen und
öffentlichen Angestellten und Ruheständler.
Die Unterfertigten fragen daher den Herrn Finanzminister
an:
Ist er bereit zu veranlassen, dass den nach
dem 1. Jänner 1926 in Pension gegangenen Tabakarbeiterinnen
in berücksichtigungswürdigen Fällen der entsprechende
Erziehungsbeitrag zuerkannt wird?
Prag, den
7. März 1929.
Die Stadt Wigstadtl in Schlesien zählt
nach der letzten amtlichen Mitteilung der Gemeinde wohl nur 5983
Einwohner, doch kann auf sie der Punkt 7 des § 12 des Gesetzes
10311926 aus folgenden Gründen angewendet werden:
In der Nähe der Stadt befinden sich die
Sommerfrischen Nieder- u. Oberwigstein, Maria Stein, Kreuzberg,
Kohlenbaude, Brückenhäusl und das Herzheilbad Johannisbrunn,
weshalb die Bahnstation auch Wigstadtl - Johannisbrunn heisst.
Dass in Badeorten und ihrer unmittelbaren Nähe die Lebensmittelpreise
um etwa 20% höher sind als in anderen Orten, ist eine bekannte
Tatsache. Ausserdem wird in der Nachbargemeinde Gross- Glockendorf
im Sommer ein Erholungsheim des Revierrates in Mähr. Ostrau
durch 4 Monate von mehr als 300 Kindern belegt, wodurch die Beschaffung
und Preisbildung der Nahrungsmittel zum Teile ungünstig beeinflusst
wird.
Die Beamten und Lehrer von Wigstadtl haben
sich mit einer begründeten Eingabe an der Ministerrat gewendet
und dieser Eingabe auch eine amtlich beglaubigte Vergleichstabelle
der Tarife der Nahrungsmittel in Mähr. Ostrau und Wigstadtl
beigelegt. Aus ihr geht hervor, dass die Preise in Wigstadtl in
keinem Falle niedriger, in einigen Fällen sogar höher
sind als in Mähr. Ostrau.
Die Bekleidung (Schuhe, Kleider und Wäsche)
sellt sich um mindestens 20% höher als in Ostrau und Troppau;
die Kohle ist wesentlich teuerer als in Ostrau.
Trotzdem im Orte keine Wasserleitung vorhanden
ist und die damit verbundene
Erleichterung der Haushalte fehlt, sind die Wohnungspreise hoch.
Es stellt sich der Preis für eine 2 Zimmerwohnung mit Küche
in Neubauten auf über 3000 Kè jährlich und in
alten Häusern auf 1800 Kè jährlich, doch sind
in diesen Preisen die letzten Erhöhungen
nicht inbegriffen: Da im Orte selbst keine Mittelschule vorhanden
ist, sind die Ausbildungsmöglichkeiten der Kinder gering
und ist diese Ausbildung auswärts mit grossen Kosten verbunden,
zumal die exponierte Lage der Stadt ein tägliches Hinfahren
nach dem Studienorte, bezw. das Zurückfahren aus diesem unmöglich
macht.
Die Mehrauslagen für die erbetene Umreihung
in die Ortsklasse B der Aktivitätsgebühren würden
betragen:
a) bei der Beamtenschaft jährlich | 10.322 | |
b) bei der Lehrerschaft jährlich | 22.704 | |
c) bei den Bahnbeamten und Bahnbediensteten jährlich | 3.552 | |
d) bei der Gendarmerie jährlich | 2.460 | |
zusammen also jährlich | 39.038 |
Aus diesen Gründen stellen die Gefertigten
an den Herrn Vorsitzenden der Regierung folgende Anfrage:
Ist er bereit, die angeführten stichhältigen
Gründe für die Umreihung der Stadt Wigstadtl in die
Ortsklasse B der Aktivitätsgebühren anzuregen und dem
gemäss das dem Ministerrat vorgelegte Ansuchen der Beamten
und der Lehrerschaft von Wigstadtl einer günstigen Erledigung
zu zuführen?
Prag, den
7. März 1929.